Bonjour Tristesse Marseillaise

Jean-Claude Izzos poetisch-melancholischer Hörkrimi "Total Cheops"

Von Monika von AufschnaiterRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika von Aufschnaiter

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Total Cheops" heißt ein Lied der französischen Rap-Band IAM, das vom Chaos in französischen Vororten handelt. Fabio Montale kennt dieses Chaos besser, als ihm lieb ist: Als Polizist soll er in den Banlieues von Marseille für Ordnung sorgen. Araber, Italiener, Spanier, Algerier und Franzosen leben hier zusammen, ihr Alltag ist geprägt von Fremdenhass und Arbeitslosigkeit, Aggression und Kriminalität.

Vor diesem Hintergrund schickt Jean-Claude Izzo seinen mürrisch-desillusionierten Helden auf die Suche nach den Mördern seiner besten Freunde. "Total Cheops", 1995 als erster Teil der "Marseille-Trilogie" erschienen, ist ein so subtil-anrührendes Stadt- und Lebensporträt, dass die Kriminalhandlung fast zur Nebensache wird: Montales Jugendfreund Ugo wird von Polizeikollegen erschossen. Die aus Algerien stammende Laila, Montales Fast-Geliebte, verschwindet kurz nach ihrem Universitätsabschluss. Bei der Suche nach ihr und dem Hintergrund für Ugos Tod kommt Montale einem Komplott der arabischen Mafia auf die Spur, bei dem seine beiden Freunde nur Bauernopfer waren. Korruption, Erpressung, Verrat: Soweit enthält dieser Kriminalplot nichts Neues, außer vielleicht der bitterschönen Kulisse Marseilles. Dass dieser Kriminalroman, den Izzo innerhalb von nur fünf Monaten schrieb, Millionen Leser begeisterte, liegt vermutlich an der nebenbei erzählten Lebensgeschichte Montales. Dessen Sinnsuche beschreibt Izzo, der mit dem vierzigjährigen Polizisten nicht nur die Liebe zu Marseille gemeinsam hat, mit unvergleichlicher Poesie. Fabio Montale ist ein Einzelgänger, ein Desillusionierter, der aber trotz allem nicht aufhören kann, zu hoffen. Der Roman wird getragen von seinen Reflexionen über seine Vergangenheit, seinem Unglück mit den Frauen und den Stimmungsaufnahmen der Hafenstadt. Harald Brandt hat Izzos knappen Stil in der Übersetzung gut getroffen - bei den zarten Stimmungsbildern musste er zugunsten der Kriminalhandlung aber leider stark kürzen. Auch verfällt Hans Peter Hallwachs in der Rolle des Erzählers streckenweise in allzu depressiv-monotones Gemurmel. Ein eindeutiges Plus der Hörversion sind jedoch die melancholischen Jazz- oder hitzigen Rap-Einlagen.

Jean-Claude Izzo gehört zu den wenigen Kriminalautoren mit literarischen Ansprüchen, und so bleibt auch nach den Kürzungen genug Hörenswertes. Doch wer Izzos einzigartig poetische Sprache und seinen Reichtum an Zwischentönen in vollen Zügen genießen will, sollte sich für die gute alte Druckversion entscheiden.

Titelbild

Jean-Claude Izzo: Total Cheops. 2 CD.
Der Audio Verlag, Berlin 2002.
103 min, 19,95 EUR.
ISBN-10: 3898132064

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