Als das Fliegen noch so zerbrechlich war

Ulrich Mühe liest Antoine de Saint-Exupérys ersten Roman "Südkurier"

Von Antje PolanzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Antje Polanz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach dem Motto "Jetzt sind auch die weniger Berühmten mal an der Reihe" ist die Schwemme neuer Hörbuch-Produktionen inzwischen auch bei den Romanen angelangt, deren Platz zumeist mehr in der "Götterdämmerung" der Bestseller und Klassiker ihrer Autoren liegen dürfte, aber die prominenten Namen der Interpreten versprechen neuerlich Aufwind für die kürzer Gekommenen - und für einige durchaus verdient.

Antoine de Saint-Exupérys "Südkurier" gehört sicherlich dazu; literarisch nicht unverzichtbar, aber eben doch wert gekannt zu sein als eindringliches Zeugnis einer Zeit, als das Fliegen noch verhängnisvoll war wie "Porzellan in der Luft", als man sich im offenen Cockpit noch als Mann beweisen konnte und ebenso gut spurlos verschwand. Als man Globalität witterte und zerrissen war zwischen Weite und häuslichem Glück. Als so manche Liebesbeziehung dieses Zuviel an Möglichkeiten nicht überlebte ...

Höhenflüge und schmerzlichste Tiefen eines Fliegerlebens wie das des Jacques Bernis und seines Schöpfers Saint-Exupéry. Für die Nuancen so vieler Extreme in oft fliegendem Wechsel, für die gehörigen Schwankungen und Luftlöcher, die ausgestanden sein wollen, braucht es für den Vortrag eines solchen Lebens ausdauerndes Feingefühl. Ulrich Mühe, bekannt aus anspruchsvollen Rollen in Film, Fernsehen und Theater ist für solche Mission besonderer Art zweifellos gerüstet: Mit höchster Präzision, so angenehm unaufdringlich beim Hören, dringt er im Lesen zutraulich bis in den letzten Winkel von Unwägbarkeiten und Unvereinbarkeiten vor. Seine Interpretation des "Kleinen Prinzen" ist mehrfach ausgezeichnet.

In seinem Erstling, der 1929 bei Gallimard erscheint, ist Saint-Exupérys charakteristisches Bemühen zur Erfassung des Wesentlichen schon deutlich erkennbar. Doch wenn man weiß, zu welcher einzigartigen sprachlichen wie inhaltlichen Verknappung und Vereinfachung er noch finden sollte, so sieht der junge Saint-Exupéry hier noch mehr mit den Augen denn mit dem Herzen gut. Verständlich für einen, der gerade das Fliegen als Alternative zum Erden-Dasein mit seinen unerfreulichen Begleiterscheinungen für sich entdeckt hatte. Seinem Fliegerroman war die Veröffentlichung des Stoffes als Kurzgeschichte vorangegangen, womit der damals 26-Jährige bereits als viel versprechendes literarisches Nachwuchstalent galt und nicht zuletzt einem André Gide aufgefallen war.

Nie mehr wieder wird sich Saint-Exupéry so ungeschützt hinter seinem Helden entdecken lassen wie in seinem ersten Roman, in dem schon das zentrale Thema seines weiteren Schreibens, nicht zuletzt das seines bekanntesten, letzten Romans angelegt ist; jene lebenslang an ihm nagende Diskrepanz der frühen Zuneigung zu Planeten und Elementen und der Sehnsucht nach einer Gefährtin: "Lasst euch heimgeigen mit euren Lichtern, ich habe den Mond", triumphiert Jacques Bernis. "Sie (aber) blieb festgeklammert an ihr weißes Leinen".

Die Geschichte des Jacques Bernis, der, wie schon der junge Antoine, dem Tod im Falle des Falles nicht abgeneigt wäre, scheint auf andere Art erneut ganz aktuell: Das Fliegen ist wieder anfällig geworden - für neue Todesarten und die Verbreitung neuer Krankheiten.

Titelbild

Antoine de Saint-Exupéry: Südkurier. 2 CD.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2003.
19,95 EUR.
ISBN-10: 3491911281

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