Bauch, Beine, Po

Wolfgang Czieslas Campus novel entpuppt sich als recht geschwätzige Männerfantasie

Von Ansgar VautRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ansgar Vaut

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Grundhandlung einer campus novel ist in der Regel einfach: Ein Hochschul-Professor hat ein Verhältnis mit einer Studentin und bekommt deswegen Ärger. Gewürzt wird das mit einer Typologie des zwischen Genialität und Skurrilität oszillierenden Hochschulpersonals, flotten Dialogen und einer Wissenschafts-Lektion in dem Fach, welches die Hauptfigur lehrt.

Beheimatet ist die campus novel vor allem im anglo-amerikanischen Raum. Aber auch in Deutschland gibt es den ein oder anderen erfolgreichen Versuch in diesem Genre, am prominentesten Dietrich Schwanitz' Roman mit dem einfallsreichen Titel "Der Campus".

Wolfgang Czieslas "Die Austauschstudentin" verfrachtet den Campus-Stoff an eine brasilianische Universität. Dort gibt der Deutsche Roland von Redwitz Germanistik-Seminare und leitet das Deutsche Kulturhaus. Sein Leben kommt gründlich durcheinander, als er eine Bielefelder Austauschstudentin kennen lernt. Redwitz verfällt Sibylle, ohne dass ein rechter Grund dafür erkennbar wäre - außer dem, dass sie keinen BH trägt. Unbeholfen stolpert von Redwitz von einem plumpen Annäherungsversuch zum nächsten, ohne Sibylle auch nur ein Stück näher zu kommen. Dafür passieren um ihn herum plötzlich die seltsamsten Dinge: Er bekommt Todesdrohungen übers Telefon, findet eine tote Eidechse in seinem Büro, und an seinem Stuhl als Leiter des Deutschen Kulturhauses wird auch alsbald gesägt.

Ein solcher Stoff hätte gewiss spannend, witzig, lehrreich - eben eine originelle campus novel - werden können. Es sind jedoch vor allem zwei Dinge, die den Roman scheitern lassen: Zunächst einmal liest sich "Die Austauschstudentin" streckenweise wie ein (unbeholfener) Softporno. Wenn von Redwitz mit Stielaugen einen Blick auf Sybilles sich frei bewegenden Busen zu erhaschen versucht, ist das spätestens bei dritten Mal nicht mehr originell. Wenn es sich aber wieder und wieder perpetuiert, ist es einfach Papierverschwendung. Zudem ist der "Brasilienroman" (so der Untertitel) bevölkert von "wollüstigen Mulattinnen", die ständig Bauch, Beine, Po zeigen. Von einem Autor wie Cziesla, der als Lektor in Brasilien gearbeitet hat, würde man ein weniger stereotypes Südamerikabild erwarten.

Zweitens werden dem Leser in dem mit 426 Seiten nicht eben schmalen Roman eine Unzahl völlig banaler Details aufgetischt. Wenn Redwitz mit dem Auto durch die Stadt fährt, dann erfahren wir genau, wie viele umgefallene Mülltonnen seinen Weg säumen, welches Auto vor ihm fährt, wie kurz der Rock der Dame auf dem Bürgersteig ist. Solch detaillierte Beschreibungen können für atmosphärische Dichte sorgen. Doch Cziesla filmt sie nur eins zu eins ab, völlig kunstlos und ohne jegliches Gespür für den Bildaufbau. Und die wenigsten dieser Beschreibungen tragen irgendetwas zum Fortgang der Handlung bei.

Wirklich überflüssig sind solche Sätze wie: "Er las Denis' Mail noch einmal, öffnete das Fenster für die Antwort und schob es auf die rechte Bildschirmhälfte." Warum auf die rechte Bildschirmhälfte? Warum nicht auf die linke? Warum erfahren wir überhaupt, dass hier ein Fenster geöffnet wird? Wäre es nicht völlig ausreichend zu sagen, dass Redwitz die Mail beantwortet? Von Verdichtung keine Spur. So wäre "Die Austauschstudentin" leicht mit 250 statt 420 Seiten ausgekommen.

Man muss wohl davon ausgehen, dass vieles aus dem Roman autobiografisch ist (wobei wir nicht unterstellen wollen, dass der triebgesteuerte von Redwitz das alter Ego des Autors ist). Die eher ermüdende Breite der Beschreibung liegt vielleicht darin begründet, dass der Autor das Bedürfnis hatte, möglichst viele seiner eigenen Erlebnisse in Brasilien der Welt mitzuteilen.

Man wünscht ihm für seinen nächsten Roman ein wenig mehr Distanz zu seinem eigenen Stoff, auf dass er das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden vermöge. Und einen kühleren Kopf, damit er künftig mit weniger Männerfantasien auskommt.


Titelbild

Wolfgang Cziesla: Die Austauschstudentin. Ein Brasilienroman.
Firwitz Verlag, Köln 2004.
426 Seiten, 16,80 EUR.
ISBN-10: 3937482172

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