Irrungen, Wirrungen und Talent

Hermann Kant wird 80

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

"Hier wird schon noch geredet werden", ließ Hermann Kant die Hauptfigur Robert Iswall aus seinem ersten Roman "Die Aula" (1965) hoffen. Wie sehr sich diese Hoffnung des Protagonisten aus dem durchaus nicht unkritischen Romanerstling ins genaue Gegenteil verwandelte, konnte selbst Hermann Kant nicht ahnen.

Als Schriftsteller und Verbandsfunktionär wandelte Kant später auf einem ganz schmalen Grat zwischen Kunst und Politik und ist dabei gefährlich zwischen die Mühlsteine der Machthaber geraten. Unter seiner Ägide wurde der DDR-Schriftstellerverband rigide von "staatsfeindlichen" Mitgliedern "gesäubert".

Als "Staatsknecht" und "Scharfrichter" wurde das spätere ZK-Mitglied der SED nach der von ihm mitgetragenen Biermann-Ausbürgerung und der darauf folgenden Verbands-Ausschlussverfahren gegen renommierte Kollegen (u. a. Stefan Heym) bezeichnet. Einsicht oder gar Reue ist nicht Hermann Kants Sache. Im Gegenteil: Der Gescholtene verteilte in seiner 1991 erschienenen Autobiografie "Abspann" noch einmal kräftige verbale Hiebe und versuchte die in der DDR verfolgten Autoren aus der Opfer- in die Täterrolle zu drängen: "Mitschuld trug, wer uns so in die Ecke drängte, dass wir nur noch wütend um uns schlagen konnten." Absolute Loyalität war stets die prägende Lebensmaxime des Honecker-Vertrauten, der in den letzten Jahren wieder vermehrt literarisch auf sich aufmerksam gemacht hat und unter dem Titel "Heusers Signatur" im Mai in der Zeitschrift "Konkret" eine neue Erzählung veröffentlichte.

Hermann Kant, der am 14. Juni vor 80 Jahren in Hamburg als Sohn eines Gärtners geboren wurde, erklomm nach einer Elektrikerlehre und polnischer Kriegsgefangenschaft auf geradezu paradigmatische Weise die sozialistische Karriereleiter. Dem Studium an der Arbeiter- und Bauernfakultät in Greifswald folgten ein Germanistikstudium bei Alfred Kantorowicz in Ost-Berlin und einige Jahre als wissenschaftlicher Assistent, 1969 wurde er in die Akademie der Künste gewählt (oder berufen) und später mit allen wichtigen Auszeichnungen der DDR und 1986 mit dem Orden der Völkerfreundschaft des Obersten Sowjet der UdSSR geehrt.

Sein literarisches Debüt gab der talentierte Vollbluterzähler Kant, dessen Werke in zwanzig Sprachen übersetzt wurden, 1962 mit dem Prosaband "Ein bißchen Südsee". Drei Jahre später folgte das wohl heute noch wichtigste literarische Werk, der Roman "Die Aula". Aus der Perspektive des Protagonisten Robert Iswall, der deutlich autobiografische Züge trägt, bilanziert Kant (nicht unkritisch) die Gründerjahre der DDR und appellierte offen für ein waches Geschichtsbewusstsein.

Auch die späteren Romane "Das Impressum" (1972) und "Der Aufenthalt" (1977), in dem Kant (angelehnt an seine eigene Vita) die Geschichte eines jungen Soldaten im Zweiten Weltkrieg erzählt, erreichten in Ost und West gleichermaßen viele Leser - weit mehr als seine in den 90er Jahren erschienenen Werke "Kormoran" (1994) und "Escape" (1996). Weitgehend unbemerkt blieb, dass der Autor Hermann Kant über ein beachtliches humoristisch-satirisches Potenzial verfügt, das er im Erzählungsband "Bronzezeit", im Roman "Die Summe" und in seinem letzten, scharfsinnigen Erzählwerk "Kino" (2005) unter Beweis stellte.

Ob es tatsächlich nur an der streitbaren Vita des Autors gelegen hat, die in Ost wie West großes Interesse ausgelöst hat, sei dahingestellt: In jedem Fall gehörte Hermann Kant, der zurückgezogen in Prälank bei Neustrelitz lebt, über viele Jahre zu den meistgelesenen deutschen Nachkriegsautoren.