In jenem Sommer in Ballyless

John Banville hat mit "Die See" einen tragischen und zugleich elegischen Roman vorgelegt

Von Heiko SeibtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heiko Seibt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Kunsthistoriker Max Morden führt eine glückliche Ehe bis zu dem Tag, als er erfährt, dass seine Frau Anna unheilbar an Krebs erkrankt ist und nur noch kurze Zeit zu leben hat.

Nach ihrem Tod fährt er ans Meer nach Ballyless, wo er als Kind gemeinsam mit den Eltern seine Sommerferien verbracht hat und einst die unkonventionelle Familie Grace kennen lernte. Während die Zwillinge Myles und Chloe für ihn anfangs nur Spielkameraden waren, erweckte ihre Mutter Connie Grace in dem Jungen die ersten erotischen Phantasien. Seine Begierde nach Mrs Grace erlosch jedoch, als er sich in ihre Tochter Chloe verliebte.

Das Nachsinnen über die gemeinsame Zeit mit Anna, sowohl vor als auch während ihrer Krankheit, füllt Mordens Tage ebenso wie die Erinnerungen an den Sommerurlaub seiner Kindheit, in dem er der Familie Grace begegnete.

Der im Jahre 1945 in Wexford geborene Autor John Banville, der für seinen Roman "Die See" mit dem Man Booker Price 2005 ausgezeichnet wurde, erschafft mit seiner Hauptfigur Max Morden einen Helden, der die schmerzhaften Fügungen seines Lebens nur schwer verwinden kann. Von seiner Reise ans Meer verspricht er sich eine Linderung seiner Trauer, doch diese tritt nicht ein.

John Banville gehört zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Irlands, seine bisher erschienenen Romane (u. a. "Das Buch der Beweise", "Sonnenfinsternis", "Athena") haben allesamt internationale Anerkennung gefunden. Seine präzisen Beobachtungen gründen auf Banvilles außergewöhnlich feinem Sprachgefühl, mit dessen Hilfe er gleichsam humorvolle und melancholische Bilder entstehen lässt. Seine Prosa zeichnet sich durch einen klaren Stil und einen unerbittlichen Blick auf seine Mitmenschen aus.

In dem Roman "Die See" stellt die Erinnerung und ihre sprachliche Verarbeitung ein zentrales Thema dar. Banville gelingt es, die verschiedenen Zeitebenen kunstvoll miteinander zu verweben. Auf diese Weise entsteht eine anmutige Geschichte, tragisch und elegisch zugleich.


Titelbild

John Banville: Die See. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Christa Schuenke.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006.
218 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 346203717X

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