Vogelmalerei im Dienste der Wissenschaft

Hugh Ridley erklärt, wie die künstlerische Darstellung von Vögeln einer Leitdisziplin der Naturwissenschaft zu Hilfe kam

Von Stefanie LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das vorliegende Buch Eine Geschichte der Vogelmalerei in Deutschland stammt aus der Feder von Hugh Ridley, einem irischen Germanisten. In seinem Untertitel Ornithologie, Illustration und Kunst 1508–1914 klingt bereits an, dass es sich um eine Darstellung an der Schnittstelle zwischen kunsthistorischer Analyse und wissenschaftsgeschichtlicher Untersuchung handelt. Thematisch fügt sie sich ein in eine Reihe von Publikationen, die in den letzten Jahren zu dieser Fragestellung erschienen sind. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang die Arbeiten von den Autoren Lisanne Wepler und Herbert Schauer. Es ist sicher nicht verkehrt, diese in dem größeren Kontext der derzeit populären Erforschung der künstlerischen Darstellung von Tieren, vorzugsweise in ihrer Beziehung zum Menschen, zu sehen.

Darstellungen von Vögeln hat es in der Kunst seit der Antike gegeben, man denke an die ägyptischen Wandmalereien in Gräbern, aber seit der Renaissance ist nicht nur ein gesteigertes Interesse an ihrer naturgetreuen Wiedergabe, sondern bekanntlich auch der Erforschung ihres Flugmechanismus, namentlich durch Leonardo da Vinci, zu verzeichnen.

Wie in Ridleys Ausführungen deutlich wird, nahm die sich entwickelnde Zoologie und ihr Teilgebiet, die Ornithologie, seit dem 18. Jahrhundert besonders in England, aber auch in den deutschen Ländern des Heiligen Römischen Reiches die Funktion einer Leitdisziplin für die sich entwickelnde naturwissenschaftliche Forschung ein. Diese wurde begleitet von der zunehmend naturgetreuen künstlerischen Wiedergabe der gefiederten Tiere als wissenschaftliche Illustration, während sie bis dahin vor allem als Jagdwild von Interesse waren. Man denke hier beispielsweise an die Jagd auf Singvögel in Italien und hierzulande als Delikatesse, woran heute noch das bekannte Gebäck der „Leipziger Lerchen“ erinnert. Aber auch als Jagdtiere wurden und werden Vögel eingesetzt, wie das Falkenbuch des Kaisers Friedrich II. aus den Jahren 1241 bis 1248 belegt.

Dieses wird allerdings nicht erwähnt, da die Darstellung erst mit der Kunst der Renaissance, namentlich Albrecht Dürers „Käuzchen“ von 1508 einsetzt. Hierfür wird wegen seiner individualisierenden Darstellung der Begriff des Vogelporträts eingeführt, das Käuzchen ikonografisch im biblischen Kontext verortet und mit dem wissenschaftlichen Interesse Dürers an der Naturstudie verknüpft. Rembrandts Selbstbildnis mit Rohrdommel (1639) scheint allerdings die christliche Konnotation der Rohrdommel als Unglücksbringer mit dem gastronomischen Aspekt der Jagdbeute zu verbinden.

Ausgehend von der rein künstlerischen Vogelmalerei geht es im Folgenden um die ab dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts gedruckte lexikalische Ornithologie des Berliner Gymnasialrektors Johann Leonhard Frisch, der damit einen wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen Beschreibung einheimischer Vogelarten leistete. Die Illustrationen des mehrbändigen Werks unterstreichen seine Wissenschaftlichkeit. Hierbei kam allerdings erschwerend hinzu, dass die Vögel nach Bälgen gemalt wurden, deren Farben oft bereits verblasst waren, was wegen mangelnder farblicher Naturtreue die Anwendung der Illustrationen zur Vogelbestimmung erschwerte. Wie schon bei Dürer war auch der Blick der Vogelaugen auf den Illustrationen starr und unlebendig.

Der Geist der Frühaufklärung zeigt sich in den Auftragsgemälden des Franzosen Jean-Baptiste Oudry unter anderem für den Versailler Hof. Im Gegensatz zu den bisherigen Vogeldarstellungen sind diese nun eingebunden in einen natürlich wirkenden Bildraum. Das belegt auch ihre künstlerische Zugehörigkeit zur Gattung des Stilllebens, genauer gesagt der Jagdbeute. Oudrys große Leistung bestand in der Verlebendigung seines Gegenstandes durch genaue Naturstudien und Einfühlung, worin er seinem Zeitgenossen, dem amerikanischen Maler John James Audubon, nahe steht.

Der Comte de Buffon stellte mit seiner Publikation der Naturgeschichte, einem auch ins Deutsche übersetzten und intensiv rezipierten enzyklopädischen Werk, hinsichtlich seiner Wissenschaftlichkeit den Gegenpol zu Oudrys dekorativen Malereien dar, wobei er allerdings nicht die Bestrebungen seiner Zeitgenossen um Ausdifferenzierung der Klassifikationssysteme teilte. In Bezug auf die Illustrationen stellte sich heraus, dass die technische Umsetzung der Reproduktionen noch zu wünschen übrig ließ, obwohl man hierfür angesehene Illustratoren beschäftigte.

Ein Vergleich der deutschen Vogelbücher aus dem ersten und zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts offenbart das in dieser Zeit sprunghaft gestiegene wissenschaftliche Interesse an der Taxonomie, wobei man hierzulande deutsche statt der bisherigen lateinischen Bezeichnungen bevorzugte. Die Benennung der Vogelarten erfolgte nach international diskutierten Kriterien.

Besonderes Interesse verdient die Person des Bauern Johann Friedrich Naumann, zunächst Jäger und später Begründer der wissenschaftlichen Ornithologie in Deutschland, wobei er seine Schriften durch Kupferstiche illustrierte, deren Anfertigung er sich selbst beigebracht hatte. Die von seinem Vater verfasste Naturgeschichte ergänzte er durch eine zwölfbändige redigierte Ausgabe, die sein hohes wissenschaftliches Niveau belegt und es vergleichbaren Projekten, etwa von Bernhard Meyer und Johann Wolf, als deutlich überlegen erscheinen lässt. Allerdings übernahm bei Wolf die Illustration die wissenschaftliche Aussage des Textes.

Hierzu ist ergänzend auf das einzigartige Vogelmuseum in Schloss Köthen in Sachsen-Anhalt hinzuweisen, dessen Bestand aus präparierten Vögeln sowie wissenschaftlichen und künstlerischen Begleitmaterialien auf Naumanns Anfang des 19. Jahrhunderts zusammengetragene Sammlung zurückgeht. Diese wurde später vom Fürsten von Anhalt-Köthen aufgekauft.

Mit der zunehmenden Beliebtheit von Bestimmungsbüchern wurde auch das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst neu diskutiert und gestaltete sich zunehmend arbeitsteilig, wobei das Vogelporträt nun, aus der Literatur kommend, eine soziale Komponente erhielt, aber nach 1840 auch einen künstlerischen Rückgang zu verzeichnen hatte.

Allerdings trat in Wolfs Bildern auch das dekorative Element, das heißt die Einbindung der ornithologischen Darstellung in einen angedeuteten Bildraum wieder stärker hervor, was sich in den folgenden Jahrzehnten unter dem Einfluss der aufkommenden Fotografie fortsetzen sollte.

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erfahren die nun exotischen Landschaften bei den Künstlern Bruno Lijefors und in Emil Nolde ebenso wie die dargestellten Vögel eine Beseelung und Vereinfachung und werden somit zum Ausdruck der eigenen Subjektivität, womit der wissenschaftliche Anspruch in den Hintergrund tritt.

Der Titel des Buches lässt einen kunstgeschichtlichen Bezug vermuten, jedoch verortet der Autor sein Werk in der Mediengeschichte, die man auch der Bildwissenschaft zuordnen könnte. Ridley behandelt den Dialog zwischen der Vogelmalerei als wissenschaftlicher Illustration und der Entwicklung der Ornithologie als wissenschaftlicher Disziplin, weshalb das anregend und flüssig geschriebene Buch eher eine Abhandlung zur Wissenschaftsgeschichte darstellt.

Titelbild

Hugh Ridley: Eine Geschichte der Vogelmalerei in Deutschland. Ornithologie, Illustration und Kunst 1508-1914.
Wehrhahn Verlag, Hannover 2016.
255 Seiten, 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783865255310

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