Der Körper des Kriegers

Killing and Being Killed ist eine Aufsatzsammlung von Jörg Rogge zu der Körpergeschichte der Gewalt im Mittelalter

Von Marc-André KarpienskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marc-André Karpienski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Kulturgeschichte des Krieges hat in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass die Beschäftigung mit dem historischen Krieg nicht bei Schlachtplänen und Technikbeschreibungen endet. So richtet dieser – aus einer 2016 abgehaltenen Tagung hervorgegangene – Sammelband sein Augenmerk auf Bodies in Battle. Instruktiv ist dabei der kurze einleitende Artikel des Herausgebers zu Körperkonzepten im Mittelalter und zur dazu florierenden Forschung. Die Forschungsrichtung der Körpergeschichte macht deutlich, dass Normen, gesellschaftliche Strukturen, Technologien, Wissensbestände usw. einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Verständnis des menschlichen Körpers haben und damit Veränderungen dieser Elemente zu einem veränderten Körperverständnis führen. In den daraus resultierenden körperlichen Praktiken manifestieren sich dann Machtverhältnisse, Schönheitsideale usw.

Die versammelten Artikel sollen, so wird einleitend vermittelt, die Vorbereitung der Körper für den Kampf, die Benutzung dieses Körpers, aber auch den Umgang mit Verwundung und den Tod thematisieren. Hierbei tritt uns der Körper des Kämpfers nicht unmittelbar gegenüber, sondern Historiker analysieren Quellen, die unter bestimmten kulturellen und individuellen Bedingungen entstanden sind und so erst dekonstruiert werden müssen.

Insgesamt enthält der Band elf Beiträge in englischer Sprache inklusive der kurzen Einführung durch den Herausgeber und einen, ausgewählte Ergebnisse synthetisierenden, Schlussartikel. Dabei gibt es zwei Beiträge, die dem Frühmittelalter zuzuordnen sind, während die Übrigen sich mit spätmittelalterlichen Themen befassen. Des Weiteren wird ein großer geographischer Rahmen aufgespannt vom oströmischen Reich bis nach Schottland. Jeder Artikel ist mit Fußnoten und einem abschließenden Literaturverzeichnis versehen. Ein Register für den Gesamtband ist nicht vorhanden.

Die Themenauswahl ist ebenso breit wie der zeitliche und geographische Rahmen, so dass hier drei Texte exemplarisch herausgegriffen werden sollen. Bogdan-Petru Maleon untersucht in seinem Aufsatz die (Dis-)Kontinuitäten des Umgangs mit Unterlegenen nach Kriegen, Usurpationen und Aufständen in Ostrom bis zum 8. Jahrhundert. Dabei wird insbesondere die symbolische Nutzung von Körpern durch Folter und Tötung beobachtet.

Näher am Titel des Buches bleibt Iain MacInnes mit seinem Beitrag zu (tödlichen) Verwundungen in den anglo-schottischen Kriegen des 14. Jahrhunderts. Er macht deutlich, dass sich anhand der auffällig vielen tödlichen Kopfverletzungen der ansonsten gut gerüsteten schottischen Adligen weitere Forschungsfragen ergeben, etwa nach dem Kampfverhalten ihrer Gegner.

Aber nicht nur reale Konflikte werden betrachtet. Eric Burkart untersucht zum Beispiel die Schwierigkeiten, die die Fechtbücher Hans Talhofers bereiten, da aus ihnen keine unmittelbaren körperlichen Vorbereitungen der Kämpfer herauszulesen sind.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass alle Artikel umfangsbedingt nur einen kleinen Themenbereich ausloten können. So wünscht man sich als Leser oftmals mehr und vor allem komparative Ansätze, um die vorgebrachten Erkenntnisse in einen größeren Kontext einordnen zu können. Nicht umsonst wird mehr als einmal auf zukünftige Forschungen verwiesen.

Damit ist auch gleich eine Problematik angesprochen, die mehr oder weniger alle Artikel betrifft. Die Einordnung der Forschungsergebnisse in die Theorien und Erkenntnisse der mittelalterlichen Körpergeschichte gerät oftmals zu kurz. So muss diese durch den Leser/die Leserin erfolgen.

Ein gewisses Unbehagen habe ich mit dem Titel des Bandes, der sicherlich eingängig ist, aber vielleicht ein wenig irreführend, weil sich nicht alle Artikel direkt mit dem Töten bzw. dem Getötet-Werden beschäftigen. Auch die Verengung auf Bodies in Battle klingt gut, trägt aber nicht zur inhaltlichen Klarheit bei. So handeln Artikel vom Umgang mit Gefangenen, reflektieren das mittelalterliche Schreiben über das Töten von Nicht-Kombattanten auf Kriegszügen, zeigen die Vorbereitung zu juristischen Zweikämpfen oder stellen die Schwierigkeit der Logistik des Krieges dar. Manches erscheint so als alter Wein in neuen körpergeschichtlichen Schläuchen. Er wäre auch ohne diese gut genießbar geblieben.

Bei aller Kritik enthält der Band einige sehr gut lesbare, zum großen Teil auch neue Perspektiven aufzeigende Forschungsergebnisse. Man bleibt gespannt auf weitere Forschungsergebnisse!

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Jörg Rogge (Hg.): Killing and Being Killed. Bodies in Battle.
Transcript Verlag, Bielefeld 2017.
271 Seiten, 21,95 EUR.
ISBN-13: 9783837637830

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