Ibiza calling

Mercedes Spannagels Romandebüt „Das Palais muss brennen“ gerät zur billigen Travestie

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Um es gleich vorwegzunehmen: Das Palais muss brennen ist kein gutes Buch. Aufbau, Figuren, Plot, nichts stimmt hier, und das obwohl die Idee dahinter gar nicht mal unoriginell ist: Erzählt wird aus der Perspektive von Luise, der Tochter der rechtspopulistischen – sie würde sagen: rechtsextremen – österreichischen Bundespräsidentin. Diese kommt aus einfachen Verhältnissen, ist alleinerziehend und hat es trotz aller Widerstände vom Plattenbau bis in das Präsidentenpalais geschafft. Dort lebt sie mit Luise und deren Schwester Yara sowie einer ganzen Schar von trainierten Windhunden (sowie Luises Hund, Achtung Witz: Marx).

Die Töchter sind zwar eher aufmüpfig, aber ihre natürliche Trägheit weiß allzu revolutionäre Taten gerade so zu verhindern. Zumal sie sich sowieso viel mehr für ihr kompliziertes Liebesleben interessieren. Während Yara mit ihrem Freund das Ziel verfolgt, in jedem Raum des Palais einmal Sex zu haben, und sich dabei filmen lässt, ist Luise mit dem linken Aktivisten Jo zusammen, fängt aber im Laufe der Handlung auch was mit TT an, dem geschniegelten Sohn eines Parteifreundes ihrer Mutter (von dem man nie so richtig weiß, ob er auch der extremen Rechten angehört oder sein optisches Auftreten nur Tarnung ist). Als sie dann auch noch mit Sef, Jurastudentin tunesischer Abstammung, eine Affäre beginnt, ist ihre Verwirrung komplett. Da sich in diesem Roman aber niemand ‚committen‘ will, wie das auf Neudeutsch ja heißt, ist natürlich für alle alles cool.

Wie sich Yara von Raum zu Raum hangelt, hangelt sich Luise von Bett zu Bett und gibt sich betont locker und aufgeklärt. Trotzdem zweifelt sie natürlich: Soll sie bei Jo bleiben? Den Verlockungen der dunklen Seite in Gestalt des Rosa-Polohemd-Trägers TT folgen? Oder sich weiterhin von sexy Sef verführen lassen? Das sind natürlich schwierige, existenzielle Fragen, die es zu lösen gilt. Als Jo sie schließlich überredet, auf dem Opernball eine letztlich harmlose politische Aktion gegen ihre Mutter und deren Partei durchzuführen, scheint sie aus ihrer Lethargie zu erwachen. Doch dann kommt ihnen eine stark an das mittlerweile legendäre Ibiza-Video (ein Nebenprodukt der filmischen Ambitionen von Yaras Lover) erinnernde Enthüllung zuvor, sodass das Palais erst gar nicht brennen muss, um die ungeliebte Mutter aus diesem zu entfernen – obwohl Putin dieser bereits zu Hilfe eilt. Ja, das ist wirklich der Plot dieses Buchs.

Natürlich sollte Literatur auch immer die Gegenwart reflektieren, und wenn man meint, dass Österreichs Gegenwart nun mal aus trägen, oberflächlichen Twenty-Somethings sowie rechtspopulistischen Opportunisten besteht, dann kann man das ja ruhig auch so schreiben. Es ist eben nur die Frage, wer sich für diese Travestie begeistern soll. Alles an Das Palais muss brennen wirkt künstlich überspitzt, betont lässig und auf eine äußerst durchschaubare Art anspielungsreich. Vielleicht ist das eine Diagnose der traurigen Gegenwart und der Versuch, im Angesicht des Grauens doch noch irgendwie witzig zu sein. Vielleicht ist es aber auch ein nur leidlich gelungenes Generationenportrait ohne Tiefe, das eines gründlichen Lektorats bedurft hätte. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen.

Titelbild

Mercedes Spannagel: Das Palais muss brennen. Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020.
192 Seiten , 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783462055092

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