„Das Ende des Teufelsfürsten“ ist leider immer noch nicht in Sicht

Silvia Stolzenburgs abschließender Roman ihrer Trilogie rund um Vlad Draculea lässt ausnahmslos alle Fragen offen

Von Hannah Varinia SüßelbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannah Varinia Süßelbeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Historische Romane gibt es viele. Die Besonderheit von Silvia Stolzenburgs Reihe rund um den Woiwoden Vlad Draculea, dank Bram Stoker weltweit besser bekannt als Graf Dracula, besteht darin, dass sie keineswegs den Vampir, sondern die historische Figur zum Protagonisten ihrer Romane macht. Dadurch wird dieser jedoch nicht weniger blutig, sondern erhält – vor allem durch die fundierte Recherche der Autorin – mehr Authentizität, womit die Aufzählung der guten Eigenschaften des Romans fast schon endet.

Anno 1463: Vlad Draculea ist der Gefangene des ungarischen Königs Matthias Corvinus und sinnt in seinem Gefängnis auf der Burg Visegrád auf Rache. Nach dieser Exposition steht er jedoch anders als erwartet nicht im Mittelpunkt in Das Ende des Teufelsfürsten. Vielmehr als um Draculea geht es zunächst um seinen Bruder und dessen Liebhaber. Diese rüsten sich für einen Feldzug und werden in ihren Privatbädern von Vlads Sohn Carol überrascht. Irritierend sind dabei die pseudo-subtilen Anspielungen auf die Homosexualität des osmanischen Heerführers und Carols Onkels, die an Offensichtlichkeit kaum zu übertreffen sind. Carol widersetzt sich den Befehlen, den osmanischen Sultan auf seinem Feldzug zu begleiten. Er flieht, um seinen Vater zu töten und seine Jugendfreundin Floarea zu finden. Daraufhin werden die Brutalität und die Gnadenlosigkeit des Sultans bis zur völligen Erschöpfung erwähnt, damit auch dem/der letzten Leser*in klar wird, wie gefährlich Carols Flucht ist. Allerdings werden die dadurch aufgebauten Erwartungen enttäuscht, denn Carols Reise verläuft – bis auf ein unnötiges Intermezzo mit Wegelagerern – ruhig und ereignislos. Hier zeigt sich bereits eine der größten Schwächen des Romans. Stolzenburg versucht offensichtlich, den Plot durch weitere Personen und Handlungsstränge komplexer zu gestalten. Da diese jedoch oft ins Leere laufen und keinen neuen Blickwinkel auf das Geschehen zulassen, sind sie im Grunde nur störend und verfehlen ihr Ziel, Spannung aufzubauen. So werden weder die Geschichte von Vlads Bruder und dessen Liebhaber, noch die eines nahenden Feldzuges weiter erzählt.

Vielmehr geht es um Carol und Floarea. Zu Beginn des Romans begleitet man Floarea, die mittlerweile vierzehnjährige Bojarentochter und ehemalige Zofe von Vlads toter Frau, an den königlichen Hof von Buda. Dort hofft sie als Hofdame in das Gefolge der ungarischen Königin Katharina von Podiebrands aufgenommen zu werden. Zwar besticht sie durchaus mit interessanten Fähigkeiten, so kann sie beispielsweise „Steine schleppen und eitrige Wunden versorgen“, aber essentielle Eigenschaften der höfischen Lebensart, wie die Fähigkeit zu tanzen, beherrscht sie nicht. Da Floarea jedoch sehr mittelalter-untypisch lesen kann und der Königin glücklicher Weise noch eine weibliche Vorleserin fehlt, findet sie doch ihren Platz am Hofe. Ihre neue Position eröffnet Floarea unglaubwürdig viele Privilegien. So kann sie sich morgens in aller Ruhe von Bademägden die Müdigkeit aus den Gliedern streichen lassen, ihre Tante besuchen, wann immer sie möchte, und erhält darüber hinaus die Erlaubnis, bei einem Gelehrten Wissen über Heilkräuter, Astronomie sowie praktischer Weise auch Gifte zu erlangen. Was zunächst feministisch und girl-bossy anklingt, wird jedoch durch die Tatsache ins Lächerliche gezogen, dass ohne Ausnahme jedes Ereignis, jede Wendung allzu offensichtlich Floareas Vorhaben in die Hände spielt, ihren ehemaligen Peiniger Vlad Dracluea zu töten. Nachdem sie beispielsweise der Gifte habhaft wird, mit deren Hilfe sie Vlad vergiften will, liefert die Verlobte des Woiwoden sogleich die Gelegenheit, die sie für ihren Mordanschlag benötigt, und hilft ihr auch noch unwissentlich. So mäandern die Figuren absolut vorhersehbar umeinander herum und es ist meist im Vorfeld erkennbar, was als nächstes passiert.

Durch viele Rückblenden und Erinnerungsbruchstücke der Protagonist*innen wird Bezug auf die vorangegangenen Teile der Trilogie genommen. So erfahren die Leser*innen, auch wenn sie die ersten beiden Bücher nicht kennen, vieles über die Hintergründe und Entwicklungen der Figuren. Was ein gelungener Kniff sein könnte, um Erinnerungen aufzufrischen und Identifikation mit den Figuren zu erzeugen, verkommt jedoch zu einem reinen Aufwärmen oller Kamellen. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Handlung kaum in Erinnerung bleibt. Vielmehr sind es der Klappentext, die Vorbemerkung und das Nachwort der Autorin, die Bestand haben.

Positiv hervorzuheben sind dabei die historisch korrekte, wenn auch vereinfachte Wiedergabe mittelalterlicher Weltbilder, wie der Säfte- bzw. Weltenlehre, und die Bemühungen der Autorin um Transparenz bei der Vermischung von Fakten und Fiktion. Allerdings reicht historische Korrektheit und auch die umfassende Bibliographie nun mal nicht aus, um einen spannenden Roman zu schreiben.

Umso prägnanter fällt auf, wie die Autorin in offenbar vorauseilendem Gehorsam kritischen Stimmen den Wind aus den Segeln nehmen will. Sie schreibt, es könne „durchaus geschehen, dass Personen in einer Art und Weise agieren müssen, die nicht unbedingt ganz zeitgemäß ist“. So weit, so gut. Selbstverständlich ist es in fiktionalen Erzählwerken üblich, dass die Form, hier die historische Genauigkeit, hinter die Funktion zurücktritt, den/die Leser*in mit Spannung zu unterhalten. Wirklich frech hingegen ist Stolzenburgs Bemerkung sie sei „stets bemüht, diese Diskrepanzen auf ein absolutes Minimum zu beschränken“. Frei nach dem Motto „Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint“, verkommt diese Erklärung zu einer lahmen Entschuldigung und die Autorin stellt sich damit, in ihrer unbemerkten Nachahmung floskelhafter Wendungen geradezu unfreiwillig komisch, selbst ein schlechtes (Arbeits-)Zeugnis aus.

Negativ fällt zudem die Sprache des Romans auf. So finden sich unter anderem ärgerliche Inkohärenzen bezüglich Kursivierungen von fremdsprachlichen Ausdrücken. Ein gründliches Lektorat hätte überdies semantisch unvollständige Sätze wie „nimm mich mit auf dein ss mich deine Frau werden“ verhindert. Im Original-Text von Claudia Ott, der nach eigenen Angaben der Autorin zitiert wird, heißt es: „nimm mich mit auf dein Schiff und in dein Land. Laß mich deine Frau werden“. Dieser lieblose Umgang mit Sprache, aber vor allem die ins Leere laufenden Handlungsstränge und die allzu versessenen Versuche der Autorin, die Neugier der Leser*innen an diesen zu wecken, legen die Vermutung nahe, dass dieses Buch lediglich ein Lückenfüller und die Vorbereitung für eine Fortsetzung darstellt. Immerhin erfahren wir in diesem „abschließenden“ Roman weder wie es mit Vlad und seiner Verlobten, noch wie es mit seinem Bruder, dessen Liebhaber und ihrem Feldzug weitergeht. Zwar bekommen Floarea und Carol ein kleines Happy End und scheinen gerettet, doch auch dieses erhält einen bitteren Beigeschmack, da es vollkommen uninspiriert in den Epilog geschoben wurde. Außerdem ist es fast beleidigend, dass die so willensstark und unabhängig präsentierte Floarea sich genügsam der Gartenarbeit hingibt und über Liebe sinniert. Eingefleischte Fans kommen vielleicht dennoch auf ihre Kosten, da sie mehr über lieb gewonnene Figuren erfahren. Alle anderen hoffen derweil wirklich auf ein schnelles und vor allem endgültiges Ende des Teufelsfürsten.

Titelbild

Silvia Stolzenburg: Das Ende des Teufelsfürsten.
Bookspot Verlag, München 2016.
314 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783956690655

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