Zum 150. Geburtstag von Theodor Lessing: aus dem Archiv von literaturkritik.de und weitere Hinweise

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor 150 Jahren, am 8. Februar 1872, wurde der Philosoph und Schriftsteller Theodor Lessing, Sohn eines assimilierten jüdischen Ehepaares, in Hannover geboren. Im März 1933 floh er vor dem deutschen Nationalsozialismus in die Tschechoslowakei und wurde dort am 31. August 1933 von drei nationalsozialistischen Attentätern erschossenen. „Auf Lessing war“, wie Willi Winkler in seinem ganzseitigen Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 3. Februar 2022 über ihn und die fragmentarische Edition seiner Werke hervorhebt, „eine Prämie ausgesetzt, angeblich 80000 Reichsmark.“ Lessing selbst hatte das mit dem Satz kommentiert: „Nie hätte ich für möglich gehalten, dass mit meinem Kopf so viel zu verdienen wäre!“

Die Probleme der Edition von Lessings Werk, mit dem sich einer der Herausgeber seiner Schriften, Rainer Marwedel, sein Leben lang engagiert auseinandergesetzt hat und damit nicht aufhört, liegen, so Willi Winkler, nicht zuletzt darin, „dass Lessing unendlich viel geschrieben hat und ungeheuer gescheit war“. Eine Mischung von „Philosophie, Pädagogik, Lebensreform, Medizin, Nietzsche-Begeisterung und Wagner-Kritik geht da wild und oft atemberaubend durcheinander.“

Der Untertitel des Beitrags von Martin Hecht in ZEIT-online (gedruckt in Nr. 6/2022, 3. Februar 2022) zu Lessings Geburtstag charakterisiert ihn so: „Er schrieb gegen Hindenburg an und, todesmutig, gegen Hitler. Heute kennt ihn kaum noch jemand: Vor 150 Jahren wurde Theodor Lessing geboren – Philosoph, Pazifist und Kämpfer für die Demokratie.“ In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Februar geht Thomas Karlauf unter der Überschrift  „Niemand war solidarisch mit diesem Quälgeist“ auf die vielen Skandale ein, in die Theodor Lessing mit seinen provozierenden Publikationen verwickelt wurde. „Nicht nur von Nationalisten und Antisemiten wurde er leidenschaftlich gehasst, auch viele von denen, die seine freiheitlichen, humanistischen und liberalen Ideale eigentlich hätten teilen sollen, machten einen Bogen um ihn. Nicht einmal die Juden gewährten ihm Solidarität.“ Am Ende seines Beitrags empfiehlt Karlauf die Lektüre von Lessings Lebenserinnerungen Einmal und nie wieder, die zum „hundertfünfzigsten Geburtstag dieses großen Unbequemen“ vom Bremer Donat Verlag neu veröffentlicht wurden.

Erschienen ist zu diesem Gedenktag weiterhin unter dem Titel Kultur und Nerven in zwei Bänden eine 1928 Seiten umfassende Sammlung „kleiner Schriften“ Lessings aus den Jahren 1908 und 1909, die Rainer Marwedel im Wallstein Verlag herausgegeben hat. Online frei zugänglich sind schon länger bei „Wikisource“ einige andere Bücher und Artikel Lessings, u.a. Der Lärm. Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens (1908), und bei „Internet Archive“ Lessings Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen (München: C.H.Beck 1919).

In literaturkritik.de sind bisher folgende Beiträge über Theodor Lessing erschienen:

„Verdammte Nachtkritik!“.
Theodor Lessings Ausflüge in die Theaterkritik in der Göttinger Wintersaison 1906/1907
Von Oliver Pfohlmann
Ausgabe 10-2006

Eine Psychografie arisch gesinnter jüdischer Intellektueller.
Zu einer Neuausgabe von Theodor Lessings Schrift „Der jüdische Selbsthaß“
Von Axel Schmitt
Ausgabe 04-2005

Ein Januskopf der Moderne.
Zum 70. Todestag des jüdischen Intellektuellen Theodor Lessing
Von Axel Schmitt
Ausgabe 12-2003

T.A.

Titelbild

Theodor Lessing: Kultur und Nerven. Kleine Schriften 1908-1909.
Herausgegeben von Rainer Marwedel.
Wallstein Verlag, Göttingen 2021.
1928 Seiten in 2 Bänden , 98,00 EUR.
ISBN-13: 9783835336117

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Titelbild

Theodor Lessing: Einmal und nie wieder. Lebenserinnerungen.
Hg. von Helmut Donat unter Mitarbeit von Jörg Wollenberg.
Donat-Verlag, Bremen 2022.
496 Seiten , 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783949116094

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