Who let the dog(s) out?

Im ZDF-Thriller „Getrieben“ wird das LKA auf die Spur eines Serienmörders geführt

Von Lea BittnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lea Bittner

Ein sadistischer Mord an einer Gelegenheitsprostituierten, der sich bald als Verbrechen eines Serientäters herausstellt, ist der Ausgangspunkt des Thrillers Getrieben. LKA-Kommissarin Sibylle Deininger wird mit der Aufklärung des Falls betraut. Widerwillig, doch im Wettlauf gegen die Zeit kommt sie nicht umhin ihre Ex-Freundin zu Rate zu ziehen. Die ehemalige Polizeipsychologin Dr. Kara Bischoff und die Kommissarin arbeiten schließlich trotz privater Querelen und Probleme gemeinsam daran, den Täter dingfest zu machen. Das vertraute Moment des Zusammenraufens „für die Sache“ gibt dem geneigten Krimifan gleich gewohnte Orientierung an die Hand, es kann also weitergehen: Bei den Ermittlungsarbeiten erhärtet sich der Verdacht gegen einen von Bischoffs Patienten, der mit einem Alkoholproblem zu kämpfen hat und versucht, ein traumatisches Erlebnis aus seiner Vergangenheit aufzuarbeiten. Gleichzeitig wird die Psychologin von einem ominösen Fremden mit dunkler Kapuze beschattet, der immer näher zu kommen scheint. Welche Verbindung besteht zwischen Bischoffs Patienten und dem Mord? Und wer verfolgt die Psychologin? Gibt es gar einen Zusammenhang? Tatsächlich gelingt es Petra Schmidt-Schaller als Dr. Kara Bischoff und Ulrike C. Tscharre als Kommissarin Sibylle Deininger trotz klischeehafter Rollen und teilweise voraussehbarer Handlung den Zuschauer bei der Stange zu halten.

Getrieben ist eine ZDF-Auftragsproduktion der Polyphon und wurde in Zusammenarbeit mit Made in Munich Movies unter der Regie von Maris Pfeiffer realisiert. Pfeiffer ist als Regisseurin unter anderem für diverse Folgen der SOKO- und Tatort-Reihen bekannt. Diese Erfahrung macht sich im Aufbau der Spannung bemerkbar, die trotz zwischenzeitlich dürftiger Handlung bis zum Ende gehalten wird. Durch Kameraperspektiven, die nicht alles zeigen und dem Zuschauer Raum für eigene Spekulation lassen, werden Überraschungsmomente möglich. Ein Aspekt, der zum Rätseln veranlasst, ist etwa die Zeichnung, die Dr. Bischoffs verdächtiger Patient (Matthias Matschke) anfertigt. In jeder Sitzung führt er diese Zeichnung fort, die, animiert für den Zuschauer, zum Leben erwacht und auf verschiedene Fährten lockt, bis sich schließlich alle Teile zu einem vollständigen Puzzle zusammenfügen. Die unterschiedlichen Perspektiven der Protagonisten in einem Wechsel von langen und kurzen Schnitten in Kombination mit einer der Jahreszeit geschuldeten dunklen Farbgebung lassen ein Gefühl der Unruhe und Beklommenheit entstehen, das mit dem Filmtitel korrespondiert.

Das schauspielhandwerkliche Geschick der beiden Protagonistinnen sowie ihrer Kollegen und Antagonisten hilft dabei, über offensichtliche Schwachstellen im Erzählverlauf hinwegzusehen. So gibt es beispielsweise von Beginn an kaum Verdächtige und Deininger und Bischoff schießen sich schnell auf den Patienten als Täter ein, ohne überhaupt weitere Optionen in Betracht zu ziehen. Hinzu kommt Bischoffs und Deiningers Hund – ein Überbleibsel ihrer gemeinsamen Vergangenheit, das regelmäßig von der einen zur anderen gereicht wird und jeder von ihnen ein treuer Begleiter ist. Gerade deshalb ist es auffällig und merkwürdig, dass ausgerechnet im Showdown, als seine Frauchen in Lebensgefahr geraten, der Hund plötzlich nicht mehr auftaucht. War er zuvor noch da, wurde gefüttert und gestreichelt, fehlt er plötzlich in der nächsten Szene und meldet sich nicht einmal bellend zu Wort, als wäre er nicht mehr im Haus. Eine weitere Schwachstelle ist Dr. Bischoffs Arbeit mit ihren Patienten. In den Sitzungen mit eben jenem Familienvater, der mit Alkoholismus kämpft, seine Vergangenheit aufzuarbeiten versucht und schließlich schnell zum Hauptverdächtigen wird, wirkt sie nicht wie eine empathische professionelle Psychologin, die den drohenden Rückfall ihres Patienten ernst nimmt. Mithilfe einer Zeichnung soll er sein Trauma aufarbeiten, um mitzuteilen, was er nicht aussprechen kann. Doch auch als sich dadurch sein Zustand zu verschlechtern scheint, drängt sie auf Antworten hinsichtlich des Mordfalls und ihres Verdachts. Der Patient stürzt aus dem Behandlungsraum und in Folge dessen geschehen Dinge, die vermieden werden sollten.

Getrieben wurde beim 14. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen 2018 vorgeführt. Auch andere dort gezeigte Krimis wie beispielsweise eine Folge des Spreewaldkrimis oder der Film Der Polizist und das Mädchen führen den klassischen deutschen Krimi fort, dessen Inbegriff zumeist der Tatort ist. Besonders Getrieben bedient sich dabei der klassischen Elemente, wie dem eines Ermittlers, der in privaten Sorgen verstrickt ist und sich von jemandem Hilfe holt, der einen Teil seiner Vergangenheit repräsentiert, meist in Form eines Ex-Partners. Dabei ist es längst keine Neuheit mehr in deutschen Fernsehgefilden, wenn im Fokus eine homosexuelle Protagonistin steht. Bereits seit 2005 agieren in ZDF-Krimis diverse lesbische Kommissarinnen, Pathologinnen und Leibwächterinnen, die Beziehungen miteinander führen. Ob der deutsche Krimi damit ausdrücklich auf Powerfrauen aufmerksam machen möchte, die ihren Mann stehen und männliche Kraft in weiblicher Form zum Ausdruck bringen? Sollte dies tatsächlich ein Anliegen sein, gelingt es in Getrieben nicht, da die Kommissarin trotz Pistole letztendlich von einem unbewaffneten Mann überwältigt wird. Soll mit der zunehmend homosexuellen Orientierung der Protagonistinnen für gleichgeschlechtliche Beziehungen eingestanden werden? Bliebe nur die Frage, wieso es so selten homosexuelle Kommissare zu sehen gibt? Offenbar hat der deutsche Krimi auf dieser Ebene noch viel Arbeit vor sich. Im Falle von Getrieben und ähnlicher Formate sollte jedoch auch im Bereich des Drehbuchs noch einiges geschehen, damit die Schauspieler den Film nicht allein tragen müssen und der Zuschauer nur von einer Spannung lebt, die mit der Aufklärung in sich zusammenfällt und einen Hauch von Enttäuschung hinterlässt.

 

Getrieben

Deutschland 2018
Regie: Maris Pfeiffer
Darsteller*innen:  Petra Schmidt-Schaller, Ulrike C. Tscharre, Matthias Matschke, Kai Scheve
Spieldauer: 90 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

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