Schwärmereien

Daniel Suarez warnt vor der maschinellen Entkopplung des Krieges und schreibt darüber einen typisch amerikanischen Techno-Thriller

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Bundesrepublik gibt ein Drohnenprogramm auf, nachdem sie damit ein paar Milliarden versenkt hat (weil das Gerät keine Flugzulassung bekommt?), die US-Regierung späht den amerikanischen und internationalen Datenverkehr aus, chinesische Hacker haben nicht zum ersten Mal massive Angriffe gegen internationale und vor allem amerikanische Unternehmen gestartet, internationale Konzerne legen Nutzerprofile von ihren Kunden an, um ihre Angebote noch präziser ausrichten zu können – wir leben in einer digitalisierten und automatisierten Welt, die weitgehend von Maschinen bestimmt wird. Die Szenerien von „Matrix“ oder „Terminator“ – auch wenn sie nicht wirklich originell sind (ältere SF-Autoren haben solche Szenarien schon in Dutzenden entworfen), unwahrscheinlich ist es nicht, dass jemand auf eine solche Idee kommt.

Daniel Suarez hat sich in seinem Roman „Kill Decision“ auf eine Vorstufe der Übernahme der Macht durch die Maschinen konzentriert. Kernidee dabei ist, dass unbemannten Maschinen die Entscheidung, ob sie einen Angriff starten, selbst überlassen wird. Dadurch werden sie von Übertragungsstrecken und menschlichen Entscheidungen (im Guten wie im Schlechten) unabhängig, aber sie werden zugleich unkontrollierbarbar. Damit, so die These des Romans, würden auch Kriege unsteuerbar und wären nicht zu beenden, sie wären eigentlich unführbar.

Die Unbedingtheit, mit der die Kriegsmaschinen, die Suarez entwirft, vorgehen, macht diese These auch sehr plausibel. Voraussetzung ist, dass diese neue Waffentechnologie auf zwei Grundprinzipien aufbaut: auf billigen Einzelgeräten, die nach einfachen Regeln funktionieren. In ihrer Gesamtheit funktionieren sie jedoch als Schwarm, das heißt, sie entwickeln eine derart ungebremste Vernichtungsmacht, dass einem ganz angst und bange wird.

Entlehnt ist dieses Muster dem Verhalten der Weberameisen, die extrem aggressiv sind und alles vernichten, was in ihren Handlungsraum eindringt. Zugleich sind die einzelnen Individuen der Gattung weder besonders intelligent noch besonders wichtig. Die Masse, der Schwarm macht’s – und dessen Qualität kennt jeder, der einmal in große Menschenmengen geraten ist. In denen kann man ähnliches erfahren.

Suarez entwickelt sein Thema mit einem heftigen und gewalttätigen Auftakt: Eine Gruppe junger Entwickler wird von einer ferngelenkten Drohne in die Luft gesprengt, kurz nachdem sie entdeckt hat, dass sie ausspioniert worden ist. Eine amerikanische Ameisenforscherin wird aus ihrem Forschungscamp (Thema: Weberameisen) entführt, kurz bevor ihr Camp in Flammen aufgeht.

Ihre Entführer: Eine Gruppe amerikanischer Geheimdienstler, die es sich – nach eigenen Angaben – zur Aufgabe gemacht hat, die konspirativen Aktivitäten zu enttarnen, die hinter einer Reihe von geheimnisvollen Attentaten in den USA und auf einen muslimischen Pilgerort stecken.

Ihr Anführer ist ein charismatischer Militär namens Odin (schöner Name), der sich zweier intelligenter Raben bedient (auch hübsch), um seine noch unbekannten Gegner auszukundschaften. Darüber hinaus ist sein Team selbstverständlich mit dem Besten ausgestattet, was es an Technik und Knowhow geben kann.

Die Ameisenforscherin ist allerdings im Zweifel, mit wem sie es da zu tun hat und macht eine Menge Ärger, bis sie endlich versteht: Das Ziel der Mission dient höchst legitimen Zwecken. Die Aggressoren sollen enttarnt werden, die Öffentlichkeit wird sich ihrer dann annehmen – was einmal diskreditiert ist, wird nicht lange mehr militärisch und politisch aktiv bleiben können.

Entworfen wird das Ganze als Action-Spektakel der besser gemachten Sorte, in dem es die obligatorische Liebesgeschichte und den notwendigen Show-down mit Fortsetzung gibt (im Techno-Thriller hört das Ganze nie auf, es wird nie so etwas wie einen endgültigen Sieg der Guten geben). Man wird selbstverständlich um die ganze Welt gehetzt, und an Material wird verheizt, was es zu verheizen gibt. Da werden mengenmäßig keine Grenzen gescheut, weil im Roman das Budget eben doch grenzenlos ist. Wird es zum Film kommen, muss das Ganze als Blockbuster produziert werden. Anders wird man die ganzen Finanzen nicht zusammenbekommen, die notwendig wären, so etwas filmisch umzusetzen.

Denn auf die Verfilmung aus ist dieser Thriller ohne Zweifel. Das macht ihn nicht schlechter oder besser, sondern bestimmt nur seine Struktur: Das Gute muss siegen, wenigstens muss es aus dem Showdown heil hervorgehen. Die Richtigen müssen sich kriegen. Und die persönlichen Aktivitäten der Protagonisten müssen der Maschinengewalt überlegen sein. Mensch siegt über Maschine – solange das noch geht, wird alles noch möglich sein. Wehret also Anfängen. So wenigstens im Film. In der Realität gibt die Bundesrepublik wenigstens ihr Drohnenprogramm auf.

Titelbild

Daniel Suarez: Kill Decision. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Cornelia Holfelder von der Tann.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013.
494 Seiten, 12,99 EUR.
ISBN-13: 9783499259180

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