Origami des Rechts

Candice Fox weiß, wohin ihre Helden gehören: „Hades“ und „Eden“ drehen noch fester an der Racheschraube im Krimi

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Über die Varianten, die das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit im Krimi annehmen kann, lässt sich lange und triftig streiten. Darauf, dass es eine Tendenz im jüngeren Krimi gibt, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, ohne dass es auch nur einen Gedanken daran gibt, dass dies fehlgehen könnte, ist an dieser Stelle mehrfach hingewiesen worden. Aber selbst Dexter aus der gleichnamigen TV-Serie hat schon feststellen müssen, dass seine Recherchen nicht immer das richtige Ergebnis erbringen und sein Urteil falsch ist. Und einzlkinds Billy (2015) hat sich dem noch intensiver verschrieben. Dennoch – nach all den schlechten Erfahrungen, die ihre Vorgänger gemacht haben – lässt Candice Fox den deutschen Verlag den Spruch „Gerechtigkeit ist gut. Rache ist besser“ auf den Umschlag drucken, wohlweislich, weil alle Beteiligten um den Reiz des Risikos und des darin versteckten Bösen wissen.

Abgesehen davon hat Candice Fox in ihren beiden Thrillern Hades und Eden, die in diesem Jahr bei Suhrkamp erschienen sind, die Variante gewählt, die Komplexität ihrer Geschichte, wie wir sie von ihren Vorgängern kennen, zu erhöhen – um das alles nochmal mit einer Extraprise Grausamkeit und Extravaganz zu würzen. Noch eine Drehung und noch eins draufgesetzt, damit dann das leichte Schaudern erhalten bleibt, das sonst so schnell verloren geht. Bleibt nur die Frage, ob die Geschichten nach all den Variationen und Volten noch durchsichtig und konsequent bleiben.

Von ihren Vorbildern wurden eine ganze Reihe von Vorgaben übernommen: das frühkindliche Trauma stammt dabei wohl aus dem Sozialkrimi, der bis in die 1970er zurückreicht, und treibt nicht nur die Ermittlerin Eden an, sondern auch ihren kriminellen Ziehvater Hades. Das Rachemotiv, das auch nach Jahrzehnten wirkt, ist sowieso eine der Kernausstattungen des Krimis. Den Gerechten, der handelt, wo das Rechtssystem nicht handeln kann oder will, als dessen Repräsentanten zu platzieren, ist sichtlich von Dexter übernommen. Derjenige, der dem Recht zur Geltung verhelfen soll, ist zugleich Aktant der Gerechtigkeit. Mit allen Widersprüchen, die das umfasst, aber ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sich das System damit selbst aushebelt.

Candice Fox ergänzt das durch eine Figur und ein Motiv, das dann den Titel des ersten Romans stellt: Heinrich (wie man dann im zweiten Roman Eden weiß), genannt Hades, ist ein Akteur, der eingestandenermaßen dem kriminellen Underground zugehört – das „kriminelle Master-Mind Sydneys“ wird er im Beitext genannt. Er beseitigt Leute und Leichen, die keiner finden soll. Ein Cleaner, wie er in Pulp Fiction so einprägsam von Harvey Keitel vorgeführt wird, nur dass er den Dreck zu sich kommen lässt. Und dabei den richtigen Dreck entsorgt.

Allerdings ist dieser Hades, der mit Nachnamen dann auch noch Archer heißt, zumindest anfangs von so etwas wie einem Gerechtigkeitsethos bestimmt. Denn er beseitigt nur Leute, die es verdient haben zu verschwinden. Die beiden schwer verletzten Kinder, die bei einem missratenen Raubüberfall, bei dem es mit einem Mal zu einem Massaker gekommen ist, übriggeblieben sind, gehören nicht zu denen, die es verdient haben – so dass es dann eben den Überbringer trifft, der irgendwo auf dem Gelände der Müllhalde verschwindet, die Hades Archer betreibt.

Zwanzig Jahre später sind aus den Kindern Erwachsene geworden, und sie arbeiten bei der Polizei. Außerdem bringen sie nun die Mitglieder der Gang, die seinerzeit ihre Eltern umgebracht haben und sie verschwinden lassen wollten, selbst um die Ecke – schließlich müssen sie nach so langer Zeit nicht mehr damit rechnen, dass überhaupt noch jemand von dem Überfall weiß.

Da man nun mal den „Top-Ermittlern“ der Kripo von Sydney nicht ansieht, dass sie auf dem Rachetrip sind, ist Frank Bennett, der neue Partner Edens, nachdem der alte Kollege erschossen wurde, logischerweise ahnungslos. Aus dessen Sicht werden die Gegenwartspassagen der ersten Romans geschildert, erst im zweiten tritt Edens Perspektive hinzu.

Frank zumindest ist erstmal erbaut, so super, wie diese Eden aussieht. Dann aber tauchen die Nebenwirkungen auf: Vor allem ihr Bruder Eric, der offensichtlich den neuen Kollegen nicht leiden kann und nichts unversucht lässt, den blöden Kerl an die Wand zu fahren. Außerdem zeigt sich Eden auch nicht von der zugänglichsten Seite, was ihren Reiz auf Frank selbstverständlich nur erhöht. Was ein echter Macker ist, der lässt sich von sowas nicht abschrecken.

Mit solchen Kollegen ist nicht gut arbeiten, wenn dann auch noch ein Serienkiller sein Unwesen treibt, der anscheinend seine Opfer in Kisten im Meer versenkt. Was auch nicht gerade ein neues Motiv ist, auch wenn es sich immer noch schauerlich liest. Die Handlung rennt also los und es gibt auch eine Auflösung. Aber der Fokus liegt in den Versuchen Franks, hinter das „Geheimnis“ der Geschwister zu kommen, die ihm immer verdächtiger vorkommen. Und ein „Geheimnis“, gerne dunkel, haben wir schließlich alle.

Das wird im zweiten Roman, der in großen Teilen die Vorgeschichte Hades‘ erzählt, weitergeführt: Nun wird auch aus Hades, der sich durch sachliche Brutalität auszeichnet, ein Missbrauchsopfer, ein Ziehsohn, der durch eine harte Schule geht, hier aber nicht die des Schrottplatzes, sondern einer Drogengang, die es mit der Polizei treibt. Mit einer Polizei im Übrigen, die dann am Ende alles an Grausamkeit und Gewissenlosigkeit toppt, dessen normale Kriminelle fähig wären. Aber was sind in diesen Romanen noch normale Kriminelle? Der nette Herr, der gelegentlich Hades besucht und sich darüber beschwert, dass dieser einen Stalker hat, sicher nicht. Aber auch der bekommt seins. Was dann schon fast in Killerklamauk übergeht.

Lässt schon der Plot erkennen, dass inhaltlich vielleicht von allem zu viel sein könnte, ist darüber hinaus der Erzählstil deutlich überladen. Klischeehaft und überzogen die Ausstattung der Figuren, zu dräuend die Geschichten, die in ihren Gegenwartsteilen eigentlich ohne den titelgebenden Höllenschlund oder den bewussten Garten auskommen. Der dunkle Kriminelle mit Gewissen? Das ist echter Schund.

Lässt man die Teile der Romane weg, die die Vorgeschichte der Figuren schildern, bleibt wenig übrig – im zweiten sogar noch weniger (aus Serienkiller wird grausame Weiblich- und Mütterlichkeit, wer hätte das gedacht?). Nimmt man nur die Vorgeschichten, so sind sie vielleicht ein bisschen gewollt erzählt, aber dennoch ansprechend. Im Ganzen aber fehlt es den Romanen vor allem an einer inhaltlichen Strategie, bei der dann die eine oder andere Idee hätte verworfen werden sollen. Auch sprachlich und bei der Ausgestaltung der Figuren hätte man sich ein wenig mehr Zurückhaltung gewünscht – der dämliche Macker-Detective, der mit seiner Psychologin ins Bett steigt, nachdem er sich ein bisschen gefangen hat? Das war selbst bei James Bond schon albern. Und die teilweise hölzernen Erzählpassagen, die wohl auf die dunklen Geheimnisse verweisen? Das ist für jeden normalen Krimiverlag in Ordnung, aber für das Haus Suhrkamp keine Empfehlung, auch wenn man an den Herausgeber denkt, der sich immer für Professionalität bei Krimi-Autoren ausgesprochen hat.

Titelbild

Candice Fox: Eden. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Anke Caroline Burger.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016.
476 Seiten, 15,95 EUR.
ISBN-13: 9783518467145

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Candice Fox: Hades. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Anke Caroline Burger.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016.
341 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783518466735

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch