Servus, pfiad di God – und tschüss!
Alfred Bammesberger weiß alles über die Münchner Mundart
Von Klaus Hübner
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIn der bayerischen Landeshauptstadt habe sich in den letzten Jahrzehnten eine Art „Koiné“ entwickelt, „also eine Sprache, auf deren Grundlage allgemeine Verständigung möglich ist“, schreibt einer, der es wissen muss: der 1938 in München geborene und dort aufgewachsene Alfred Bammesberger, ehemaliger Gymnasiallehrer und emeritierter Professor für Englische und Vergleichende Sprachwissenschaft. Das Münchnerische, ein zum „Mittelbairischen“ gehörender Dialekt des Deutschen, habe inzwischen den „Status einer Minoritätensprache“ erreicht, und sein aktiver Gebrauch schwächle beträchtlich. Letztlich sei es vielleicht sogar unmöglich, eine „Münchner Stadtmundart“ der Gegenwart auszumachen, „denn jede Sprecherin und jeder Sprecher tendiert automatisch zum Schriftdeutschen hin“. Sein jüngstes Buch, so der Autor, könne eigentlich nur noch den „Sprachgebrauch der älteren Generation“ beschreiben und die Erinnerung daran wach halten – denn „in nicht allzu ferner Zukunft“ werde dieser Stadtdialekt aussterben. Wer in diesem Jahrhundert die Münchner Tram- oder U-Bahn benutzt oder im Hofbräuhaus eine frische Mass zu sich genommen hat, wird dem nur zustimmen können. Man mag das bedauern oder auch nicht – so schaut’s nun mal aus.
Für die Beschreibung dieses sterbenden Dialekts sei grundlegend, dass das Münchnerische nicht als eine entartete Form des sozusagen „normalen“ Deutschen betrachtet wird, sondern dass dessen alt- bzw. mittelhochdeutsche Vorstufe, wie bei allen anderen Dialekten des Deutschen auch, als Basis fungiert. Nur wer das begriffen habe, könne sich die Lautgeschichte und die Formen des Münchnerischen erschließen und sich sprachwissenschaftlich adäquat mit den Eigenheiten seiner Substantive, Adjektive, Pronomen, Zahlwörter, Verben, Adverbien, Konjunktionen sowie Präpositionen und Präfixe befassen. Das genau tut der Autor, und wer meint, das höre sich nach beinharter Linguistik an, dem wird man kaum widersprechen können. Sprachlehre, wissenschaftlich fundiert! Also ein Buch zum Nachschlagen und Herumblättern, weniger zum Durchlesen? Ja, eher schon. Wer es jedoch durchliest oder gar durcharbeitet, ist auf jeden Fall erheblich schlauer als zuvor, selbst wenn er auch dann noch nicht unbedingt Münchnerisch kann. Lustige Sprachschmankerl sind übrigens auch dabei:
Wenn beim Spiel die e-Saite reißt, wird der Geiger sagen: ‚jɛtsad is de e ǫ‘ (‚jetzt ist die e-Saite ab‘). Sollte anschließend unglücklicherweise die a-Saite abreißen, so kann er sagen: ‚jɛtsad is de a à no ǫ‘, jetzt ist die a auch noch ab.
Nette Anekdoten findet man auch:
Eine ältere Münchnerin geht am Hauptbahnhof zum Fahrkartenschalter, um sich – wie es jetzt heißt – ein Ticket zu kaufen. Sie sagt: ‚a biletl meht i‘, ‚eine Fahrkarte möchte ich kaufen‘, und fügt hinzu: ‚auf gàmiš tsua dohta‘,‚nach Garmisch zu (meiner) Tochter‘. Der Beamter fragt: ‚blos hi‘, ‚nur hinwärts (= einfache Fahrt)?‘ Die Frau versteht ihn nicht und wiederholt ihr Anliegen: ‚auf gàmiš tsua dohta‘. Schon um eine Stufe unwirscher brummt der Beamte: ‚blos hi‘. Da holt die Frau tief Luft, sagt ‚ja wenst moanst‘, ‚ja wenn du meinst, wenn du es so haben willst‘, und bläst den Beamten nahezu um.
Was uns zeigt: Ganz so einfach ist es mit dem Münchnerischen nicht. Anders als mit Alfred Bammersbergers Buch – das ist klug, sprachwissenschaftlich schlüssig und, wenn man dranbleibt, immer wieder auch amüsant und unterhaltsam. Schade nur, dass die unglückliche Wahl des Covers das Buch in eine nostalgisch-tümelnde Ecke drängt, in die es nun wirklich nicht gehört.
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