Bilder von Éva

„Das Ende“ von Attila Bartis ist ein Fotografieroman in schwarz-weiß

Von Simone Sauer-KretschmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Sauer-Kretschmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der in Rumänien geborene Schriftsteller Attila Bartis ist ausgebildeter Fotograf. 2016 ist ein Bildband mit Fotografien von ihm erschienen, der den Titel Portraying the World, extract trägt. Dort zeigt Bartis – bis auf zwei Ausnahmen – schwarz-weiß Fotografien, die ebenso eindringlich komponiert sind wie die Bilder, die sein 2017 auf Deutsch erschienener Roman Das Ende hervorruft.

Von diesem nicht selten widersprüchlichen Zusammenspiel von Text- und Bildproduktion profitiert seine Arbeit ungemein. Der Roman handelt von András Szabad, einem international bekannten Fotografen, der im Alter von zweiundfünfzig Jahren darüber nachdenkt, wie sein Leben zu dem wurde, was es nun ist. Es sind wenige, ganz klar hervorgehobene und immer wiederkehrende Themen, die Szabad umtreiben: Die ungarische Diktatur, in der er aufwächst, und die Todesumstände seiner Eltern, die Liebe zu Éva und die Fotografie, mit deren Hilfe Szabad die losen Enden seines Lebens dokumentiert. Als er ein junger Mann ist, schenkt sein Vater ihm eine Kamera und András beginnt sofort, Aufnahmen zu machen: von vermeintlich alltäglichen Gegenständen zu Bildern des einfallenden Lichtes und zahlreichen Versuchen, das Fenster gegenüber auf eine bestimmte Art und Weise festzuhalten.

Szabad lebt nicht für, aber mit der Fotografie. Was bei ihm zur Kunst wird, verschafft ihm jedoch keine Erleichterung, sondern gibt seinem Schmerz eine konkrete Form. Aus Gedanken werden Bilder und aus den im Roman beschriebenen Fotografien wiederum Teile der Geschichte. Düster und schwer ist beinahe alles in Bartis’ Roman, und so ist auch seine Beziehung zu Éva, die er zum ersten Mal sieht, als sie gerade in einem Park mit einem anderen Mann schläft, keineswegs unbeschwert. András fotografiert, liebt und erinnert sich an das bisher gelebte Leben, das für ihn mit der Erinnerung an einen Pfau begonnen hatte, der dem schlafenden Jungen als Kind die Augen aushacken wollte, bis seine Mutter ins Zimmer stürzte und das Tier vertreiben konnte. Das Leben bleibt ihm seither ein kaum gerechter Kampf, so als lauere das große, böse Ungetüm weiterhin im Dunkel.

Erzählt wird all das in kurzen Passagen, die mit Überschriften wie „der Brief“ oder „über die Fotografie“ versehen sind, sodass dem Roman die Form eines Tagebuchs anhaftet, das über viele Jahre hinweg geschrieben wurde. Das Ende ist ein Roman in schwarz-weiß, in dem manchmal ein blutroter Fetzen auftaucht, der den Leser lange nicht loslassen wird. Folglich ist es auch eine Geschichte über das Schauen: über direkte und verborgene Blicke, über stumme Erzählungen der Augen, verbotenes Hinsehen und die daraus folgende Zwangsläufigkeit falscher Entscheidungen.

Titelbild

Attila Bartis: Das Ende. Roman.
Übersetzt aus dem Ungarischen von Terézia Mora.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.
752 Seiten, 32,00 EUR.
ISBN-13: 9783518427637

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