Ohne Republik keine Freiheit

Jörg Bongs erster Band zur deutschen Revolution von 1848/49 bildet einen lesenswerten Auftakt zur erwarteten Trilogie

Von Werner JungRSS-Newsfeed neuer Artikel von Werner Jung

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit Blick auf das 175-jährige Jubiläum zur Revolution von 1848 und zur Frankfurter Paulskirche im Jahr 2023 hat der Autor und Lektor Jörg Bong den ersten Teil einer Trilogie vorgelegt, die sich mit der deutschen Revolution von 1848/49 und damit den Gründungsdaten der deutschen Demokratie beschäftigt. Bongs ambitioniertes Projekt beruht, wie er in einem knappen Dankwort vermerkt, auf langjähriger Beschäftigung mit der Thematik und jahrzehntlangem Ideenaustausch mit einschlägigen Intellektuellen. Dieser erste Band führt seine LeserInnen in die Anfangs- und Aufbruchsjahre zurück – konkret: dahin, was Bong den „Pariser Prolog“ nennt und wo alles begonnen hat, nach Paris eben. Von dort ist am 24. Februar 1848 der französische König Lous-Philippe mit seiner Frau Hals über Kopf nach England geflohen, jener Bürgerkönig, dem kaum jemand eine Träne nachweint und dem Heinrich Heine, seit Jahren schon in Paris als Korrespondent, Zeitgeistanalytiker und Dichter tätig, spöttisch nachruft: „Armer Ludwig Philipp! In so hohem Alter wieder zum Wanderstab greifen! Und in das nebelkalte England, wo die Konfitüren des Exils doppelt bitter schmecken.“

Die Revolution ist ausgebrochen in Paris, das nicht wenige deutsche Intellektuelle, Dichter, Publizisten und Philosophen wie zum Beispiel Georg Herwegh oder Arnold Ruge beherbergt. Und alle Zeichen stehen auf Sturm: Es ist spürbar, dass sich auch im zurückgebliebenen Deutschland schon bald etwas tun wird, dass die Meute und Emeute sich nicht länger zurückhalten lassen.

Bong zeichnet in der Folge ein großes (und großartiges) Panorama der deutschen Revolution, wobei er aufs frühe 19. Jahrhundert zurückverweist (etwa auf die Karlsbader Beschlüsse) und als „Vorausandeutungen“ auf die Weberaufstände hindeutet, um dann Schritt für Schritt die historische Entwicklung mal großflächiger, dann wieder in minuziösen kleinen Bewegungen zu beschreiben: den Aufbruch am 26. Februar 1848 in Karlsruhe, dann Mannheim und Offenburg, über die Märzkämpfe und die Niederlage der Demokraten bis zu deren Zerschlagung. Dabei lässt Bong die unterschiedlichen Akteure und ProtagonistInnen auftreten und zu Wort kommen; er verdeutlicht, dass es – diesseits konkreter politisch-historischer Forderungen – eben immer auch um eine „Revolution der Denkungsart“ (um es mit Kants Worten auszudrücken), um längst überfällige ideologische Paradigmenwechsel gegangen ist. Und er schreibt auch keine – wiewohl dagegen gar nichts einzuwenden wäre – bloße Apologie dieser Revolution, sondern gräbt tief in den Widersprüchen und Antagonismen der demokratischen Bewegungen (wie etwa die Auseinandersetzungen der Demokraten mit den Kommunisten oder den späteren Liberalen). Am Ende dieses ersten Bandes resümiert Bong mit dem Demokraten Hecker:

Schon jetzt hat die Zeit gelehrt, dass der Sieg des Volkes, seine wahrhaftige, nachhaltige Befreiung nur mit dem Schwert konnte bewerkstelligt werden. […] Ohne Republik keine schöpferische Entwicklung des Volkes, ohne Republik kein Wohlstand des Volkes, ohne Republik keine Einheitskraft im Innern und nach Außen, ohne Republik keine Freiheit und keine Freiheit für die Dauer.

Eine (allerdings nicht unerhebliche) Schwierigkeit bereitet Bongs Buch seinen LeserInnen jedoch: Die fehlende paratexuelle Zuordnung erschwert die Lektüre. Denn um was für einen Text handelt es sich hier, um einen historischen Roman, ein erzählendes Sachbuch, einen Großessay? Auf jeden Fall: um ein (in frühromantischer Diktion) „unordentliches“ Buch, in dem narrative Passagen neben essayistischen Aus- und Einlassungen stehen, mithin diskursive Elemente, wozu schließlich auch die zahlreichen Hinweise auf und Zitate von Zeitgenossen wie auch auf historische Quellen und wissenschaftliche Deutungen gehören.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Jörg Bong: Die Flamme der Freiheit. Die deutsche Revolution 1848/1849.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022.
560 Seiten, 29,00 EUR.
ISBN-13: 9783462003130

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