Angola – Portugal 1975

Die portugiesische Autorin Dulce Maria Cardoso erzählt in ihrem Roman „Die Rückkehr“ von einer Jugend zwischen „Mutterland“ und ehemaliger Kolonie

Von Martina KopfRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martina Kopf

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was der junge Rui mit Portugal, dem sogenannten „Mutterland“, in Verbindung bringt, sind vor allem Kirschen und Mädchen, die sich die Kirschen an die Ohren hängen. Rui lebt mit seiner Familie in Angola und die einzigen Kirschen, die er in Angola probiert, kommen in einer Holzkiste aus Portugal und sind vertrocknet. 1975 bricht der Bürgerkrieg aus, es ist das Jahr, in dem Angola von Portugal unabhängig wird, und die Familie beschließt, nach Portugal zurückzukehren. Als sich ihr Wohnviertel in Luanda weiter leert und die sogenannten Pretos – eine pejorative Bezeichnung für die Schwarzafrikaner Angolas – eines Tages an der Tür klingeln, bricht Rui mit seiner Mutter und Schwester ins „Mutterland“ auf.

Der Beginn in Portugal, das mit der Nelkenrevolution die jahrzehntelange Salazar-Diktatur gerade beendet hat, ist nicht einfach: Rui kommt mit seiner Mutter und Schwester in einem Hotel unter, das sie sich mit vielen Geflüchteten aus den ehemaligen Kolonien Mosambik und Angola teilen. Während die Mutter ihren letzten Schmuck zu verkaufen versucht, entdeckt Rui mit anderen Jugendlichen aus dem Hotel das „Mutterland“, das sich jedoch zunächst auf das Hotel und seine Umgebung beschränkt, und findet schließlich eine ältere Geliebte. Man wartet auf Nachrichten vom Vater, der in Angola geblieben ist und für tot gehalten wird, bevor er eines Tages unerwarteterweise auftaucht und die Familie wieder vereint ist. Der Neuanfang im „Mutterland“ gestaltet sich leider nicht so rosig wie erwartet: Keine Mädchen mit Kirschen an den Ohren warten auf Rui, sondern eine desolate Stimmung im wirtschaftlich gebeutelten Portugal und Diskriminierung der „Rückkehrer“ aus den ehemaligen Kolonien in der Schule.

Dulce Maria Cardosos Die Rückkehr ist bereits vor zehn Jahren auf Portugiesisch erschienen und hat sich mittlerweile zu einem Bestseller entwickelt. Der von Cardosos eigener Biografie inspirierte Roman beweist ihr außergewöhnliches Erzähltalent: Die Rückkehr verwebt historische Ereignisse mit einer Coming-of-Age-Story und einem Familiendrama auf eine geschmeidige Weise. Wie nebenbei werden die konfliktreichen Beziehungen zwischen „Pretos“ und „Portugiesen“ beschrieben und ebenso nebenbei wird immer wieder auf die namenlose Krankheit der Mutter angespielt, die manchmal von mysteriösen „Dämonen“ aufgesucht wird. Es sind einzelne Szenen, die besonders anschaulich und eindrücklich erzählt werden, so dass sie sich fast ein wenig ins Lesegedächtnis „einbohren“. So zum Beispiel, wenn es plötzlich an der Haustür klingelt, eine ganze Schar von Soldaten und Kindersoldaten bewaffnet im Jeep anrücken und die Familie bedrohen oder auch wenn die Mutter gekochten Milchreis in rosa Glastassen gießt und mit dem jeweiligen Anfangsbuchstaben der Familienmitglieder aus Zimt dekoriert.  

Besonders anschaulich wird das Porträt der 70er Jahre außerdem durch zahlreiche populärkulturellen Details (und ihre internationale Zirkulation und Rezeption), die Cardoso in den Roman einfließen lässt: Da taucht zum Beispiel Chico Buarques berühmter Song gegen die Militärdiktatur A banda auf, ebenso Schallplatten von Percy Sledge und Sylvie Vartan, Fetzen eines Beatles-Songs kommen repetitiv zum Einsatz und Stars wie Brigitte Bardot oder Riquita, „Miss Angola e Portugal“ von 1971, schmücken auf Postern Ruis Jugendzimmer.

Hervorzuheben ist nicht zuletzt die Arbeit des Übersetzers Steven Uhly, der glücklicherweise einige der Begriffe und Sätze aus dem angolanischen Portugiesisch erhalten hat und in Form von Fußnoten erklärt. Zahlreiche hilfreiche Erläuterungen zu Sprache, Geschichte, Kultur, Prominenz und Geografie Angolas, ebenfalls in Form von Fußnoten, bereichern den Roman ohne dabei anstrengend zu wirken. Damit ist die Die Rückkehr ein in jeder Hinsicht bereichernder Roman. 

Titelbild

Dulce Maria Cardoso: Die Rückkehr.
Aus dem Portugiesischen von Steven Uhly.
Secession Verlag für Literatur, Zürich 2021.
240 Seiten , 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783905951639

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