Der Großmeister und sein Verlag

David Röhe und Sina Röpke legen einen stark literaturwissenschaftlich geprägten Band zum Haffmans Verlag vor

Von Günther FetzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Günther Fetzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die meisten Beiträge in dem von David Röhe und Sina Röpke herausgegebenen Band basieren auf Vorträgen, die anlässlich einer Feier zum 60. Geburtstag von Stephan Opitz, „einem enthusiastischen Haffmans-Leser, -Kenner, -Freund und -Kritiker der ersten Stunde“ gehalten wurden. In einer Einleitung und dreizehn Aufsätzen wird ein Bild von „unterschiedlichen Aspekten des Wirkens von Gerd Haffmans und seines Verlags“ entworfen. Diese Festschrift für Opitz sieht sich dezidiert nicht als Verlagsgeschichte. 

In der Einleitung zählen die Herausgeber kurz die wichtigsten Autoren in den Anfangsjahren auf, charakterisieren den Verleger und Lektor Haffmans sowie dessen Literaturverständnis, insbesondere „die praktizierte Nichtachtung eines Unterschieds von E- und U-Literatur“ – so Haffmans selbst. 

Dieses Literaturverständnis wird in einem der Aufsätze in Sektion I – „Der Verlag“ – ausführlich behandelt. Dort finden sich ferner Beiträge zu Haffmans als „Entdecker-Verleger“, zur Funktion von Anthologien als Zentrierung für die gesamte Veröffentlichungspolitik des Verlags, zur Kanonisierung von Komik und die Rolle des Verlags dabei sowie schließlich zur Gestaltung der Bücher im Rahmen einer „buchbewussten Literatur“. 

In Sektion II – „Das Programm“ – werden vorwiegend Autoren porträtiert: Harry Rowohlt, F. W. Bernstein, Heino Jaeger, Eugen Egner und Hans Wollschläger. Bernd Eilert kommt mit einem eigenen Beitrag zur Bedeutung von Satire und Nonsens zu Wort. Komplettiert wird diese Sektion durch einen Aufsatz über Selbstinszenierung und Habitus des Verlags sowie den Beitrag über die Zusammenarbeit des Verlags mit der Arno Schmidt Stiftung. 

Alle Beiträge sind sorgfältig gearbeitet, sorgfältig mit Fußnoten versehen und spannen ihr Thema in einen methodischen Rahmen (vorzugsweise Adorno, Bourdieu, Foucault, Anthologie-Theorien etc.). Das alles ist gut philologisch, aber doch ein bisschen sehr immanent. Der Verleger Gerd Haffmans erläutert den Verleger Gerd Haffmans, der Autor Bernd Eilert erläutert den Autor Bernd Eilert, und der Beitrag über Hans Wollschläger besteht zu mehr als der Hälfte aus langen Zitaten aus Briefen von Wollschläger an Haffmans. Einzig der Aufsatz von Susanne Fischer, geschäftsführende Vorständin der Arno Schmidt Stiftung, über Schmidts Werk im Haffmans Verlag, bietet eine Außenperspektive. So macht die Autorin deutlich, dass der Verlag ab Mitte der 1990er Jahre „eher zum ausführenden Partner“ wurde, während die Publikationsplanung, die Buchgestaltung und der Satz in der Regie der Stiftung lagen.  

Spätestens nach der Lektüre der Einleitung muss man einsehen, dass hier keine Verlagsgeschichte vorgelegt wird, auch wenn der etwas großsprecherische Buchtitel zunächst zu dieser Annahme verleitet. Ein bisschen mehr Außenansicht hätte nicht geschadet. So fehlt das „Gewitzte“ oder – wie Gerd Haffmans wohl sagen würde – das „Gewetzte“. Der Verlag, der in den 1980er Jahren dank Programmischung und Selbstinszenierung einer der interessantesten deutschen Verlage war, hätte es verdient gehabt. 

Ein Wort zur Haptik des Buchs. Es kommt bei einem Umfang von fast 240 Seiten als recht dünner broschierter Band auf weiß-glänzendem Papier statt angenehmem Werkdruckpapier daher, und erinnert so eher an den Jahresbericht eines Konzerns als an ein Buch im ehrwürdigen Metzler Verlag. Auch Kleinigkeiten belegen die lieblose Behandlung durch den Verlag. So steht auf dem Umschlag als Abkürzung für die Herausgeber „Hg.“, in der Titelei steht aber „Hrsg.“. Wenn man das Buch auf der Webseite des Metzler Verlags sucht, erhält man die Botschaft: „Leider wurde mit diesem Suchbegriff kein Treffer erzielt.“ Um an die gewünschten Informationen wie zum Beispiel den (exorbitanten) Ladenpreis von 84,99 Euro (Warum diese Aldi-Lidl-Netto-Preise bei einem wissenschaftlichen Buch?) zu kommen, bedarf es eines SpringerLinks, denn Metzler gehört seit 2016 zum Imperium von SpringerNature. 

 

Titelbild

David Röhe / Sina Röpke (Hg.): Der Zürcher Haffmans Verlag als verlegerisches Großprojekt.
J. B. Metzler Verlag, Heidelberg 2024.
237 Seiten, 84,99 EUR.
ISBN-13: 9783662698792

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