Schweigen im interkulturellen Vergleich

Reika Hanes Studie „Gewalt des Schweigens. Verletzendes Nichtsprechen bei Thomas Bernhard, Kôbô Abe, Ingeborg Bachmann und Kenzaburô Ôe“

Von Lisette GebhardtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lisette Gebhardt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das akademische Reformbestreben hat in den letzten Dekaden neue wissenschaftliche Ansätze in den Geisteswissenschaften erbracht. In den 1980er Jahren entstand z.B. die interkulturelle Germanistik als Weiterentwicklung einer multinationalen komparatistischen Orientierung. Sie verstand sich als „moderne und weltoffene“ Forschungsrichtung mit der Zielsetzung, ein „produktives Verhältnis zwischen eigener Kultur und anderen (fremden) Kulturen“ zur Richtlinie ihrer Arbeit machen zu wollen sowie die „Studierenden auf Berufe in der internationalen Zusammenarbeit“ vorzubereiten (Thum / Fink 1993). Die Idee einer auslandsbezogenen Germanistik, d.h. einer regionalen Kulturwissenschaft für einen globalen Kreis von Studierenden, hatte in Kombination mit Vorstellungen aus dem Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ (DAF), aus der Toleranztheorie und aus der nicht zuletzt vom deutschen Wissenschaftsrat angestoßenen Debatte um berufliche Bildung in den Geisteswissenschaften der in diesem Umfeld bekannt gewordene Alois Wierlacher mit seiner Professur für Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth sozusagen in die Praxis umgesetzt.

Ein Paradigmenwechsel im Zeichen der oft als cultural turn bezeichneten Globalisierungsoffensive wurde in der japanischen Germanistik von Teruaki Takahashi (heute Emeritus Rikkyô Universität) Mitte der 2010er Jahre propagiert, verbunden mit der Forderung nach einer „kontrastiven Kulturkomparatistik“; sie sollte dazu beitragen, die „inter- und multikulturelle Kommunikation“ zu fördern, um gleichzeitig auch eine Befreiung von den Normen der Mutterdisziplin und eine Emanzipation der landeseigenen Germanistik zu ermöglichen (Takahashi 2006). Kritische fachgeschichtliche Bestandsaufnahmen (z.B. auch Maeda 2010) und Neukonzeptionen wie diese wurden nicht allerorts willkommen geheißen, aus ihnen erwuchs jedoch innerhalb einer Dekade eine neue Generation germanistischer Forschung in Japan.

Reika Hanes 2014 bei De Gruyter in der Reihe „Studien zur europäischen Literatur- und Kulturgeschichte“ in einer überarbeiteten Fassung publizierte Dissertation Gewalt des Schweigens. Verletzendes Nichtsprechen bei Thomas Bernhard, Kôbô Abe, Ingeborg Bachmann und Kenzaburô Ôe ist insofern als Teil einer wissenschaftlichen Reformbewegung zu verstehen, die nach wie vor Kritik aus der Fachgemeinde hervorruft. Ebenso erklären sich vielleicht japanologisch geschulte Philologen mit dem Konzept der Untersuchung nicht unbedingt einverstanden, werden doch hier – nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal – literarische Texte für die Untermauerung eines weltanschaulichen Standpunkts herangezogen, was legitim sein mag, für manche Literaturwissenschaftler/innen aber keine Option darstellt.

Handreichungen zum Thema Schweigen und Gewalt

Hane, die in Japan Germanistik studierte und in Köln mit dem Thema 2012 promoviert hat, beschäftigte sich ihrerseits bis zum offiziellen Erscheinen der Dissertation (2014), wie es den Veröffentlichungen des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin zum 7. Deutsch-Japanischen Stipendiatenseminar (2006) zu entnehmen ist, seit fast einer Dekade mit der „Gewalt des Schweigens an Beispielen der deutschsprachigen und japanischen Literatur der Moderne“. Aufsätze dazu erschienen in germanistischen Sammelpublikationen: Von 2011 stammt ein Artikel zu Inszenierungen des gewaltsamen Schweigens in Kai Hensels Drama Klamms Krieg“, enthalten im Buch Schauplatz der Verwandlungen. Variationen über Inszenierung und Hybridität (Iudicium Verlag). In der Anthologie Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft (Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) findet sich 2013 der Beitrag Schweigen des Verstummten. Stille Rebellion und aggressive Gehorsamkeit in Thomas Bernhards Drama Ein Fest für Boris“.

Auf der Rückseite des Bandes heißt es, die Studie vollziehe „close readings“, welche aktuelle Theorien zu subtiler Gewalt konkretisierten, wobei das „Schweigen“ im Hinblick auf „Gender, Politik, Ökonomie und kulturelles Gedächtnis“ befragt werde. Angehörige der philologisch-literaturwissenschaftlichen Schule aus Japanologie und Germanistik äußern hier vermutlich schon Zweifel ob der Breite des Spektrums, das auf die Texte angewandt werden soll. Weitere Bedenken ergeben sich, wenn man feststellt, dass die Einleitung, die immerhin 54 Seiten der 289 inhaltlichen Seiten beansprucht, sich kaum auf die Werke einlässt, sondern das Feld „Schweigen und Gewalt“ – zunächst mit Hannah Arendt – aus der Perspektive einer Kritik der Gewalt sichtet. Das Moment des Sprachlichen in seinem Bezug zur Gewalt wird mit Jacques Derrida, Slavoj Žižek, Jürgen Habermas, Max Weber, Johan Galtung, Judith Butler, Roland Barthes, Jean-François Lyotard, Pierre Bourdieu, Michel Foucault, Gayatri Chakravorty Spivak, Jacques Lacan und Georg Wilhelm Friedrich Hegel erörtert. Miteinbezogen sind ferner Bernd Waldenfels und Louis Althusser, dessen Konzept der „Anrufung“ wiederum durch Butler variiert wurde. Angeführt sind zusätzlich neuere Zugänge von Alfred Hirsch, Kurt Röttgers, Sybille Krämer, Burkhard Liebsch, Claudia Benthien („Performativität des Schweigens“), Pascal Delhom („geraubte Stimme“).

Ergänzend zu den philosophisch-theoretischen Einlassungen zum Verhältnis zwischen Macht, Sprache und Schweigen, bezieht die Verfasserin Thesen aus der Traumaforschung (Judith Lewis Herman, Cathy Caruth), der Holocaust-Forschung sowie der Erinnerungsforschung (Stichwort „kulturelles Gedächtnis“) in ihre Erörterungen mit ein. Eine präzise Definition des Titelbegriffs „verletzend“ oder eine Erläuterung, was Hane nun genau als „Verletzung“ durch Schweigen verstehen und welche Position sie – aus welchen Gründen – als Akteurin innerhalb des japanisch-deutschen germanistischen Feldes dazu einnehmen möchte, sucht man trotz der zahlreichen Nennungen von Schlüsseltexten (Žižek, Butler, Delhom) und dem Hinweis auf das Prinzip Trauma vergebens.

Erst zum Ende des Eingangskapitels wendet sich die Aufmerksamkeit der „Schweigen-Forschung in der Literaturwissenschaft“ zu – einschlägige Arbeiten von Christiaan L. Hart Nibbig (1981) bis Monika Schmitz-Emans (2002) werden genannt. Wie aus der umfangreichen Liste der Diskursteilnehmer aus verschiedenen historischen Stadien und aus diversen fachlichen Richtungen von Sozialwissenschaften über Kommunikationswissenschaft und Psychologie bis hin zur germanistischen und japanischen / japanologischen Literaturwissenschaft ersichtlich sein dürfte, gelingt es der Verfasserin – wohl weil sie aufgrund langjähriger Beschäftigung mit den Inhalten bemüht ist, möglichst viele ihrer Facetten zu beleuchten – im Grunde nicht, einen stringenten Forschungsansatz zu formulieren.

Der Gang durch das Rhizom einer Denkfigur von ihren theoretischen Wurzeln bis hinauf zu den Verzweigungen diverser thematischer Seitentriebe bereitet nicht jedem Leser Freude, vor allem demjenigen nicht, der sich mehr für die Literatur interessiert als für eine wiederholte Darbietung der postkolonialistischen Agenda. Während Hane noch einmal gängige Positionen – von der kulturwissenschaftlichen Rezeption des PTSD (Posttraumatic-Stress-Disorder)-Befundes bis zum Literatur-nach-Auschwitz-Komplex – präsentiert, wäre der direkte Einstieg in das Gebiet der literaturwissenschaftlichen „Schweigen-Forschung“, verbunden mit einer klaren Zuordnung ihrer analytischen und ihrer ideologischen Basis, sicher ergiebiger gewesen. Eine zentrale Linie der Argumentationen führt ja zu der in der japanischen Germanistik populären Spivakschen Lehre (d.h. zur „Can the subaltern speak?“-Denkfigur; Spivak und ihre Subaltern Studies wurden im Sommer 2007 am International House of Japan / Tôkyô vom Romanisten, Derrida-Übersetzer und Post Colonial Studies Spezialisten Satoshi Ukai präsentiert). Zitiert werden häufiger auch Butler, Benthien und Delhom, so dass man sich auf diese Arbeiten hätte fokussieren können.

Spielarten des Schweigens in der Gegenwartsliteratur

Die Studie eröffnet dann eine spannende Diskussion, wenn sie sich der Frage nach der Beschaffenheit des Schweigens in bestimmten Werken zuwendet bzw. wenn die eigentliche auf den literarischen Texten basierende literaturwissenschaftliche Arbeit einsetzt. Erster Kandidat: Ein Meister der Beschimpfung, der zugleich eine gepflegte Verstocktheit sein Eigen nennt, Thomas Bernhard. Bei dem österreichischen Autor werden die „destruktive Wirkung der Stummheit“ beobachtet und die Ausprägungen „rebellisches Schweigen“ und „gehorsam-aggressive Stummheit“ diagnostiziert. Mit der Hamburger Germanistin Claudia Benthien (Forschungsschwerpunkte u.a.: Ästhetik der (Un-)Darstellbarkeit, Schweigen) und weiteren Sekundärquellen erfolgen Vergleiche des Schweige-Modus in den Stücken Bernhards mit dem anderer Dramatiker, z.B. Samuel Beckett. Die in diesen Passagen überzeugend aufgeschlüsselte Grammatik des Schweigens erfährt Feinschliff durch die Zuordnungen wie „zerbeißendes Schweigen“, „exzessives Schweigen“ sowie eben „gehorsam-aggressive Stummheit“ – in ihrer Konsequenz fanden die Formulierungen mittlerweile Eingang in das von Martin Huber und Manfred Mittermayer herausgegebene Bernhard Handbuch (2018).

Hanes Folgekapitel behandelt den zur Weltliteratur zählenden Roman Suna no onna (1962) des japanischen Autors Kôbô Abe (1924-1993). Suna no onna (dt. Die Frau in den Dünen, 1967), von der Verfasserin, die die literarisierte Übersetzung „Dünen“ anstelle von Sand kritisiert, ihrerseits ein wenig ungünstig als „Die Frau des Sandes“ (besser, unter Berücksichtigung der von ihr genannten Konnotationen, wohl: „Die Sandfrau“) übersetzt, schildert das Schicksal des Lehrers und Insektensammlers Junpei Niki; in den Sanddünen vor einem abgelegenen Dorf geht er seinem Hobby nach. Die Bewohner bieten dem Mann eine Übernachtung an. Per Strickleiter gelangt er zu einer Unterkunft am Boden eines der Sandlöcher des Dorfs. Dort lebt eine junge Frau, die ihre Nächte damit verbringt, die Hütte im Loch freizuschaufeln. Am nächsten Morgen ist die Strickleiter verschwunden, Sand dringt weiter durch die Ritzen der Behausung, und der Protagonist hat nun eine Lebensaufgabe wider Willen. Auf seine Hilferufe reagieren die Einheimischen nicht: Wieder eine perfide Schweigestrategie.

Abes Roman wird im Allgemeinen als Allegorie auf das Japan der 1950er Jahre gelesen, das sich nach der Kriegsniederlage obsessiv einem neuen nationalen Erfolgsstreben zuwendet. Die Dorfgemeinschaft steht für die Gesellschaft in ihrer mit Zwängen und Pflichten behafteten Umwelt (Sand). Mann und Frau sind beide als Opfer diesen Umständen ausgeliefert. Freilich wäre die eindimensionale Deutung, wie es die Verfasserin zurecht tut, nach intensiverer Lektüre zu differenzieren. Hane stellt im Kommentar zu Abe eine „Falle des fremden Schweigens“ fest sowie die Schweigevariante des „folternden Schweigens“.

Im vierten und letzten Teil der Studie – nach einem Abschnitt zu Ingeborg Bachmanns Malina – analysiert Hane Kenzaburô Ôes Dôjidai gêmu (1979; Das Zeitgenossenschaftsspiel). Der Roman gilt als Beispiel für den magischen Realismus in Japan und war, wie man vermutet, inspiriert von Diego Riveras Wandgemälde Sueño de una tarde dominical en la Alameda Central (1947). Ôe beabsichtigte, Geschichte und das Erzählen von Geschichte(n) mittels eines literarischen Modus der Simultanität und Ambiguität zu verdichten, so dass die Wiedergabe komplexer Geschehnisverläufe nicht nur in visueller Form, sondern auch in der Literatur mit einem annährend äquivalenten Verfahren erreicht werden könnte. Dôjidai gêmu berichtet vom Mikrokosmos eines Dorfes im Wald, der als utopischer Gegenpol in Bezug zur japanischen Nation gesetzt wird; der Text beschäftigt sich aus der Perspektive des Dorfhistorikers Tsuyuki mit den Themen Außenseitertum und Marginalisierung, während er, vorangetrieben durch die Figur eines Tricksters (die Ôe via die Arbeiten des Ethnologen Victor Turner studiert hatte), eine Alternativhistorie zu Geschichte und Mythologie des japanischen Kaiserhauses entwirft.

Hane versteht den Briefroman (der Historiker schreibt an seine Schwester) als „Ôes Arbeit“ am landeseigenen Nationalmythos sowie „an dem Schweigen, das diesen bis zum Zusammenbruch des Japanischen Kaiserreichs 1945 umgab“. Hervorgehoben wird eine Kritik des Autors am monologischen Erzählen des japanischen Ich-Romans (shishôsetsu) der Moderne – mit seiner Fixierung auf ein Individuum. Hane geht der dem Genre inhärenten Apolitizität unter Bezugnahme auf wichtige essayistische Primärtexte Ôes nach, der sich, wie sie belegt, mit Benjamin und dessen Entwurf der „Konstellation“ befasst hatte. Bei ihren Analysen zieht die Verfasserin ältere Sekundärquellen heute arrivierter Forscher wie Yôichi Komori (Postkolonialismus / japanische Literatur) und Irmela Hijiya-Kirschnereit (Theorie und Exegese des shishôsetsu) heran. Nach Ansicht der Germanistin habe Ôe den auf das singuläre Ich-fixierten shishôsetsu durch eine Polyphonie ersetzen wollen; seine polyphonische Poetik weise auf das Fehlen ausgeschlossener Stimmen hin, vermerke jedoch auch eine mögliche Fehlleistung des Erzählers. Im Falle dieser Analysen vermisst man Hinweise auf die Trickster-Konzeption des Autors, auf die literaturgeschichtliche Dimension, die zu Jun Ishikawa führt (1899-1987), sowie auf Verfasserinnen einschlägiger Sekundärliteratur wie Michiko Wilson und Susan Napier.

Stellenweise sind Hanes Darlegungen sehr anregend, anderenorts findet man sich zuweilen – neben der moralisierenden Geste – mit einer Diktion konfrontiert, die sich beinahe mehr als eine selbstverliebt um sich kreisende Sprache im Stil der interkulturellen Philosophie erweist, als dass mit ihr philologisch-logische Erkenntnis vermittelt werden würde:

Der Leser von Das Zeitgenossenschaftspiel, der in die Position eines Empfängers der Briefe von Toten rückt, hat nun auf die Toten zu erwidern, zu ihnen zu sprechen, sie sprechen zu lassen, und zwar eben durch seine Lektüre des von Tsuyuki geschriebenen „Mythos und Geschichte“, das, während es bestimmte Verstummen hörbar macht, andere Verstummen verstummen lässt.

Traditionswandel in der Germanistik?

Als Fazit lässt sich, wie zuerst schon angemerkt, sagen, dass die vorliegende Werkeexegese unter dem Motto „Gewalt des Schweigens“ im Grunde ohne die weitschweifigen einführenden Notizen zur Selbstschulung in Cultural Studies auskommt. Es wäre sinnvoll gewesen, hätte die Verfasserin ihre Hinweise nebst den philosophischen Exkursen kurzgehalten und sich stattdessen im Detail zur Schriftsteller-Auswahl, zu den Hintergründen und vor allem zum eigentlichen Anliegen ihrer Forschung geäußert.

Warum diese Kombination von Schriftstellern, wenn im Laufe der Erörterungen keine detailliertere vergleichende Lektüre zwischen den vier Texten stattfindet? Möchte die Verfasserin denn nicht mit komparatistischen und japanologischen Forschenden in einen Dialog treten? Warum eine reine Relektüre der Gegenwartsklassiker und die Vernachlässigung der zeitgenössischen Literatur um das Jahr 2000? Gerade in der japanischen Literatur wäre der Schweigemodus der Hikikomori-Protagonisten zu entdecken gewesen, die im Übrigen als faszinierende Zeitgeistfiguren schnell auch in deutschsprachigen Texten auftraten. An ihrem Beispiel hätte man sich am Schweigephänomen literarisierter psychogener Sprechstörungen abarbeiten können. Und: Warum ist eine Neuinterpretation der besprochenen künstlerischen Arbeiten unter der Agenda des Postkolonialismus wichtig? Welchen Stellenwert hat diese Forschung in der aktuellen germanistischen Arbeit? Was bedeutet die Untersuchung im Rahmen der Forschungspolitik der japanischen Germanistik zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Eine kleine Anmerkung zur Wissenschaftsgeschichte hätte geholfen, Hintergründe zu verstehen, da wahrscheinlich nicht jeder Rezipient der Reihe „Studien zur europäischen Literatur- und Kulturgeschichte“ über die rezenten Entwicklungen der Germanistik in Japan Bescheid weiß.

Eventuell liegt die Bedeutung des Beitrags zu einem nicht geringen Teil in dessen Positionierung innerhalb des eingangs angesprochenen Paradigmenwandels, also in Relation zu einer Disziplin, die über die letzten Dekaden hinweg durch mehr oder weniger autoritäre Ordinarien in den hierarchischen akademischen Strukturen der alten Moderne geprägt wurde. Postkoloniale Gewaltforschung könnte, wenn sie sich nicht selbst als aktivistische Einlassung deklariert, als Selbstbehauptung im Wissenschaftsbetrieb verstanden werden. Ob eine künftige Vorherrschaft der postkolonial-kulturwissenschaftlichen Forscherelite die Befreiung der Intellektualität von systemischer Gewalt mit sich bringt, bliebe freilich abzuwarten.

Literatur:

Bernd Thum und Gonthier-Louis Fink: Praxis interkultureller Germanistik. Forschung – Bildung – Politik. München: Iudicium 1993.

Teruaki Takahashi: Japanische Germanistik auf dem Weg zu einer kontrastiven Kulturkomparatistik. München: Wilhelm Fink 2006.

Ryozo Maeda: Mythen, Medien, Mediokritäten. Zur Formation der Wissenschaftskultur der Germanistik in Japan. München: Wilhelm Fink 2010.

Titelbild

Reika Hane: Gewalt des Schweigens. Verletzendes Nichtsprechen bei Thomas Bernhard, Kôbô Abe, Ingeborg Bachmann und Kenzaburô Ôe.
De Gruyter, Berlin, Boston 2014.
305 Seiten, 99,95 EUR.
ISBN-13: 9783110331271

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