Zwischen Zeitlosigkeit und Patina

Ernest Hemingways Klassiker „In einem anderen Land“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit dem im Original 1929 erschienenen Roman In einem anderen Land begründete sich Ernest Hemingways Weltruhm; der Text gilt bis heute als einer der großen Anti-Kriegs-Romane. Hemingway verarbeitete in diesem Buch auch seine persönlichen Kriegserfahrungen und verbindet sie mit einer von Anfang an bedrohten Liebesgeschichte. Jetzt ist der Roman bei Rowohlt in einer neuen Übersetzung von Werner Schmitz erschienen. Die Wiederbegegnung mit diesem Klassiker hinterlässt zwiespältige Eindrücke.

Hemingways Alter Ego Frederic Henry, ein amerikanischer Architektur-Student aus begütertem Hause, nimmt als Amerikaner auf Seiten der Italiener freiwillig am Ersten Weltkrieg teil. An der Isonzo-Front leitet er als Sanitäts-Offizier eine Staffel von Ambulanzwagen und ist so direkt mit den Auswirkungen des Krieges konfrontiert. Doch zu Beginn der Erzählung stehen die Fronten still und Hemingway beschreibt die dahinziehenden Monate im Wechsel der Jahreszeiten. In der Ereignislosigkeit zwischen Trinken und Bordellbesuchen lernt Frederic die englische Krankenschwester Catherine Barkley kennen und gibt sich überzeugt: „Ich wusste, ich liebte Catherine Barkley nicht, und hatte auch nicht vor, sie zu lieben. Es war ein Spiel, wie Bridge“.

Doch dann rückt er zu einem Fronteinsatz aus und in einem Unterstand hört er, wie seine Fahrer gegen den Krieg wettern: „Es gibt nichts so Schlimmes wie Krieg“, „Warum hören wir nicht zu kämpfen auf?“, „Was bedeutet schon Niederlage? Man geht nach Hause“. Inmitten dieser Gespräche wird die Gruppe von einer Granate getroffen und ein Fahrer stirbt mit zerfetztem Bein; Frederic wird schwer verletzt in ein Lazarett nach Mailand gebracht. Als auch Catherine dorthin versetzt wird, beginnt eine stürmische Liebe und sie wird schwanger.

Das Kriegsgeschehen ist derweil von Stillstand und hohen Verlusten der Italiener gekennzeichnet und Henry wird zurück an die Front beordert. Er gerät in eine gewaltige Rückzugsbewegung, verliert im Chaos seine Fahrzeuge und seine Männer und kann sich seiner Erschießung als Deserteur nur durch Flucht entziehen. Am Lago Maggiore trifft er Catherine wieder; als seine Verhaftung droht, beschließen die beiden in stürmischer Nacht über den See auf die Schweizer Seite zu fliehen.

Auch heute noch beeindruckt an Hemingways Roman die überaus lakonische und teils drastische Beschreibung des Kriegsalltags und seiner Folgen. Implizit wird seine Sinnlosigkeit so immer offensichtlicher. Lange Zeit zeigt sich Frederic jedoch davon unberührt und erfüllt lakonisch-stoisch seine Pflicht, während die einfachen Soldaten schon längst den Glauben an den Sinn des Krieges verloren haben und immer offener davon sprechen. Erst als Frederic zu Unrecht als Deserteur erschossen werden soll und fliehen muss, wird auch ihm der Wahnsinn des Krieges bewusst.

Während In einem anderen Land als Anti-Kriegsroman weiterhin zeitlose Gültigkeit hat, haben andere Teile des Romans deutlich Patina angesetzt. Das gilt insbesondere für die Liebesgeschichte, die aus heutiger Sicht etwas romanzenhaft-machohaft erscheint und deren Dialoge zwischen Frederic und Catherine zuweilen arg hölzern und geradezu lächerlich wirken. Aufgewogen wird dies letztlich nur durch die Wucht des tragischen Endes.

Titelbild

Ernest Hemingway: In einem anderen Land.
Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018.
394 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783498030193

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