Skurril und sinnlos

In Paul J. Hendersons Roman „Der Vater, der vom Himmel fiel“ wird bruchstückhaft ein Bild von einer Familie gezeichnet, die selbst nur noch aus Bruchstücken besteht

Von Kathrin Stefanie FuchsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kathrin Stefanie Fuchs

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit sieben Jahren haben die Brüder Billy und Greg nicht mehr miteinander geredet, als letzterer schließlich bei der Beerdigung ihres Vaters Lyle in Flipflops und Hawaiihemd verspätet auftaucht. Greg, der nicht nur äußerlich aneckt, sondern vor dem Rest der Familie und vor allem vor der trost- und hoffnungslosen englischen Heimatstadt in die USA geflohen ist, scheint auf den ersten Blick ohnehin nicht dort hineinzupassen – gebildet, ohne verrückte Ideen oder Phobien, entschlossen, aus seinem Leben das zu machen, was er möchte, und nicht, was andere von ihm erwarten. Sein Bruder Billy lässt sich hingegen von Frau und Schwiegermutter kleinmachen, herumschubsen und verbirgt deshalb nicht nur eine Nikotinsucht vor seinen Mitmenschen.

Als Greg kurzzeitig im väterlichen Haushalt einzieht, um das Haus seiner Kindheit aufzuräumen und für den Verkauf vorzubereiten, erscheint ihm – sehr unspektakulär – der Geist seines Vaters. Dieser erzählt ihm, es habe eine Verwechslung im Jenseits gegeben, weswegen er für eine kurze Zeitspanne wieder ins Diesseits dürfte, und erteilt Greg den Auftrag, sich um die Familie zu kümmern. Denn nicht nur Billy hat etwas zu verbergen, sondern auch Onkel Frank verhält sich merkwürdig.

Wenn nicht gerade das traurige, wenn man es denn so nennen darf, „Familienleben“ der Bowmans oder vielmehr die absurden Ideen, Verhaltensweisen und Ängste ihrer Mitglieder beschrieben werden, plätschert die Handlung zwischen Zoten und Informationen zu irrelevanten Themen wie beispielsweise der Beschaffenheit einer alten Hauswand und die Möglichkeiten, sie zu reparieren, dahin. Die meisten Bowmans sind so skurril, dass sie nicht nur unsympathisch, sondern geradezu lächerlich wirken, nur mit Greg – den nur eine vergleichsweise harmlose Bindungsangst auszeichnet – kann man sich halbwegs identifizieren.

Anfängliches Interesse am „väterlichen Auftrag“ verfliegt jedoch bei den Leser*innen schnell, sobald die Probleme von Billy und Onkel Frank offengelegt werden, da eines stupider als das andere ist und es der Handlung ansonsten an jeglicher Spannung mangelt. Gegen Ende des Buches taucht noch ein Rätsel auf, das den bisher belanglosen Strom von Wörtern in interessante Bahnen hätte lenken können, doch auch dies wird mit wenigen Worten und einer erstaunlichen Gleichgültigkeit abgehandelt – und reiht Greg nahtlos in die unsägliche Familie ein, zu der er sich zählt.

Die gedanklichen Ausflüge in die Vergangenheit schildern zwar in Teilen, wie es mit dieser Familie so weit kommen konnte, aber wirklich zufriedenstellend sind weder Vergangenheit noch Gegenwart der Figuren. Das Konzept des Sterbens wird derart banal beschrieben, dass das Zurückkehren des Vaters als nichts Besonderes erscheint. Dieser reißt vielmehr genauso dümmliche Witze, wie sie ohnehin im ganzen Buch von verschiedensten Seiten kommen. Auch mit stellenweise derber Umgangssprache möchte zum Lachen motiviert werden, allerdings ist eher zum Weinen zumute.

Anmerkung der Redaktion: Die Rezension gehört zu den studentischen Beiträgen, die im Rahmen eines Lehrprojekts im Sommersemester 2020 entstanden sind und gesammelt in der Septemberausgabe 2020 erscheinen.

Titelbild

J. Paul Henderson: Der Vater, der vom Himmel fiel. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Jenny Merling.
Diogenes Verlag, Zürich 2017.
342 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783257069877

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