Vom späten Glück eines ungeliebten Kindes
Kerstin Holzer verfasst mit „Monascella“ ein Denkmal für Monika Mann und „ihre“ Insel Capri
Von Stefanie Steible
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIn Monascella gibt Kerstin Holzer mit Monika Mann der Tochter des Nobelpreisträgers Thomas Mann eine Stimme, deren Leben sowohl vom Schicksal als auch der Last ihres berühmten Vaters gekennzeichnet war. Sie war unter mehreren Geschwistern bis zum Tod ihrer Eltern das ungeliebte mittlere Kind geblieben. Das erschüttert zuweilen und die nicht überstrapazierte Darstellung der Autorin lässt nur erahnen, welche Kämpfe die Künstlertochter ihr gesamtes Leben mit sich und ihrer Familie ausfechten musste.
Das Drama, das sich insbesondere in der Beziehung der weiblichen Familienmitglieder entzweit, gipfelt zwischen Mutter und Tochter ein Jahr vor dem Tod von Frau Thomas Mann in einem Brief Monikas ins schweizerische Kilchberg, wo die Mutter wohnt und Monika jeden Sommer mehrere Wochen hinreist: „Chère Mamman, nur ein dürftig Grüßli von der Moni, die du am Telefon nicht erkennst und furchtbar anschreist.“
Was hier die Demenz verursachte, zog sich zuvor durch das gesamte Leben und die schwierige, bis nicht vorhandene Mutter-Tochter-Beziehung. Trotz homoerotischer Avancen von Thomas Mann und verschiedensten Problemlagen in den Beziehungen der anderen Mann-Kinder war stets Monika die Außenseiterin geblieben. Zunächst, weil sie relativ spät heiratete, dann ihr Mann bei der Schiffsüberfahrt in die USA tragisch verstarb und schließlich, weil sie sich in der Mitte ihres Lebens auf einer kleinen italienischen Insel in einen Fischer verliebte, der nach Meinung ihrer Familie vor allem intellektuell nicht gut genug für sie war.
Dessen war sich auch Monika bewusst, aber sie wählte sowohl Capri als auch ihren Antonio mit Bedacht aus. Sie emanzipierte sich damit von der Familie und dem Druck, die diese auf sie ausübte, endlich etwas Vernünftiges aus ihrem Leben zu machen. Sogar als respektable Schriftstellerin gelang es ihr, sich im Schutz der Insel und der von ihr und Antonio bewohnten Villa Monascone zu etablieren.
Das war ihrer Familie wiederum ein Dorn im Auge und die Zusammenarbeit im Hinblick auf weitere Veröffentlichungen, die Monika gemeinsam mit ihren Familienmitgliedern geplant hatte, wurden von diesen bis ins hohe Alter hinein boykottiert. So wurde sie innerhalb der Familie zum „Fall“ Moni, gewissermaßen zum schwarzen Schaf, das nichts zum Unterhalt beiträgt und den anderen nur zur Last fällt bzw. sie belastet. Im Gegenzug tituliert ihre Familie sie als eine, die „einen Klaps weg“ habe und das auch selbst wisse. Psychologisch analysiert, führte das permanente Schlechtbehandeln bzw. Zurücksetzen seitens der Familie dazu, dass Monika schon während ihrer Schulzeit eine Abtrünnige wurde, die nur auf der faulen Haut liegt und ihr Leben nicht selbst in die Hand nimmt. So jedenfalls empfinden es ihre Eltern und auch die meisten anderen Mitglieder der Familie Thomas Mann.
Vielleicht ist das der Grund, warum sie es so viele Jahre auf Capri aushält, ohne den Esprit zu finden, wie ihn eine Großstadt verbreitet hätte, in der sie sich als Nobelpreisträger-Tochter noch immer ihre Freundschaften hätte aussuchen können. Und dies, obwohl man sie innerhalb ihrer Familie insbesondere nach dem Verlust ihres Ehemannes in den Kriegswirren auf der Reise in die USA später nicht mehr „nur für ziellos und labil hielt – jetzt ist sie auch noch traumatisiert und in Trauer.“
Doch als sie nach Capri kommt, legt sie das alles ab. Ihre Beziehung zu dem so anders lebenden und denkenden Antonio beschreibt sie einmal so: „Die Anwesenheit des Anderen genügte…Wir waren sehr vereint…Er baute die azurblaue Grotte, ich hörte Mozart, warum hätten wir reden sollen?“ Als unwahrscheinliches Paar beschreibt Kerstin Holzer das Paar, das eine durchaus lebendige Beziehung mit vielen Konflikten führt.
Über diese Beziehung war bisher wenig bekannt. Holzer hat es recherchiert und liebevoll aufgearbeitet. Es muss eine Beziehung gewesen sein, die in den ersten Jahren von Eifersüchteleien aufgrund verschiedener Liebschaften von Antonio geprägt war, die sich aber nach und nach entwickelte und als erwachsen bezeichnet werden kann. Holzer vermag in Monascella ein Bild von Monika Mann zu zeichnen, das uns die Dramatik ihres Lebens bewusst macht, aber auch zeigt, wie schwierig es sein kann, mit einem großen Schicksal auf die Welt zu kommen.
Behandelt wird aber auch die Thematik einer spät begonnenen Liebe zwischen zwei Menschen jenseits der 45, die sehr schnell beschließen, zusammenbleiben zu wollen. In gewisser Weise ist auch Antonio ein Outsider, und vielleicht ist es das, was Monika und ihn so eng miteinander verbunden hat. Und auch die Erkenntnis zum Alter wie zum Altern: „Denn klar sei doch: Die Alten steckten in festem Grund, die Jungen seien immun und gemacht für das Heute. Die Mittelalten, wie sie, Monika, hätten es schwer.“ Und so stirbt Monika Mann recht einsam im Jahr 1992 im Alter von 81 Jahren.
Und auch das Buch selbst hinterlässt die Leserschaft ein wenig einsam, weil es sehr sachlich das Leben von Monika Mann darstellt, ohne besonders pathetisch zu werden. Ein angenehmer Effekt, den Monika Mann wohl zu schätzen gewusst hätte. Das Buch stellt ein Plädoyer dar für alle, denen ebenfalls manchmal Energie und Mut fehlen. Beachtlich ist, welche Sprachkombination und -vielfalt von der Autorin angeboten wird, um den richtigen Bezug zur Vergangenheit herzustellen. Dies ist ihr rundum gelungen.
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