Pech für den verlorenen Sohn
Ernst Augustins Roman "Das Badehaus" von 1963, neu aufgelegt und umgeschrieben
Von Georg Patzer
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDas ist nun wirklich Pech. Da hat sich Eddy mühsam eine Verkleidung zusammengesucht, hat sich aufwendig geschminkt, den fremden, holländischen Akzent gelernt, hat David so weit es geht kopiert. Und dann fährt er in Davids Heimat und will sich, nach vielen Jahren, Davids Vater als der langvermisste, verlorene Sohn präsentieren. Und dann findet er den Vater nicht mehr: Im Elternhaus wohnen Fremde und sein Badehaus leitet jemand anderes. Alles umsonst, die ganze Mühe.
Die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn, diese schöne Geschichte eines Hochstaplerromans, sie hat heute ihre Tücken. Dabei ist Eddy ein Profi: "So arbeite ich denn an diesem Vormittag vor dem Spiegel [...], und zwar lege ich weniger Wert auf ein naturgetreues Abbild, vielmehr möchte ich David so darstellen, wie ihn sein Vater wohl wiederzusehen hofft." Mit Tätowierung und besonderem Gang, der den Vater rühren soll, mit Ohrenstellung und Veränderung des Gesichts: "nicht schwierig für mich". Und dann kommt er nach Hause und der Vater weint und alles ist gut.
Aber nichts entwickelt sich so glatt im Roman "Badehaus Zwei" von Ernst Augustin, der jetzt, überarbeitet und in großen Teilen umgeschrieben, nach über vierzig Jahren neu erschienen ist. Das heißt, eigentlich entwickelt sich alles glatt, bis wieder etwas Neues eintritt. Sehr fantasievoll erzählt Augustin die Geschichte von Eddy, aber sehr schnell vervielfältigen sich die Geschichten. Schon nach wenigen Seiten ist man vom Ich-Erzähler in eine Falle gelockt worden, ist seiner Fantasie auf den Leim gegangen und hat gedacht, dass Eddy sein Ziel bereits erreicht hat. Und da war es nur eine Vorstellung, die er mal ausprobiert hat: So soll es sein, so soll es ihm gelingen.
Erst später fährt er wirklich nach Hagel, gibt sein letztes Geld einem alten Bettler, muss feststellen, dass das Badehaus Herrn Jonasser gehört, mietet sich in einem Hotel ein, macht Bekanntschaften. Mit dem Ehepaar Machner, mit Frau Schinski, die sich von ihm aushalten lässt, mit Gimlet, dem Hoteldiener, mit Jonasser schließlich. Eigentlich eine originelle Idee. Aber immer wieder bricht Augustin ab, unterbricht der Erzähler seine Geschichte, setzt neu ein, macht deutlich, dass alles bisher Erzählte nur eine Variante war, dass man alles auch anders erzählen könnte. Dass die Geschichte bisher nur eine Geschichte war.
Und das verwirrt und ermüdet auf Dauer dann doch ein wenig. Denn Augustin beherrscht zwar die Kunst Geschichten zu erzählen, Charaktere mit nur wenigen Worten lebendig zu machen. Aber die variationsreichen Schlingen und Kurven führen zu keinem richtigen Ende. Zu schnell hat man durchschaut, dass alles nur Geschichten sind, dass die Wirklichkeit nicht so ist, wie sie aussieht, dass sie beim Beschreiben plötzlich ganz anders wird. Auch das Umschreiben dieses alten, unter dem Eindruck des Nouveau Roman geschriebenen Buchs hat den verwinkelten, mäandernden, abgebrochenen Geschichten dann nicht mehr aufhelfen können.
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