Die Frauen, die Literatur, das Rauchen

Angenehm-kratzige Story ohne Filter: Bruno Preisendörfers kleiner, kurzweiliger Roman "Die letzte Zigarette"

Von Maik SöhlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Maik Söhler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eines ist von der ersten Seite an klar: Hier raucht jemand wirklich gerne. Bruno Preisendörfers neuer Roman "Die letzte Zigarette" kommt so prompt zur Sache, also zum Rauchen, Qualmen, Anzünden, Ziehen, Inhalieren, Ausmachen, wie es den starken Raucher gleich nach dem Aufstehen zur ersten Kippe treibt. Und der Effekt des Buches gleicht jenem Gefühl, das jeder Raucher kennt: Es wirkt kurzfristig entspannend.

Preisendörfers namenloser Ich-Erzähler spult routiniert Passagen seines Lebens ab. Immer geht es dabei um das gleiche Thementrio: Frauen, Literatur, Rauchen. Mal steht die Exfrau Kreta im Mittelpunkt samt ihrer neun Roth Händle ohne pro Tag, die ihr die Gelassenheit geben, sich durch miserable Manuskriptseiten zu hangeln. Denn der Erzähler sitzt gerade an einem historischen Roman über Jean Nicot, und Kreta ist die von ihm bei der Lektüre genau beobachtete Versuchsperson.

Aus dem Nicot-Roman wird schließlich nichts. Das ist gut, denn so kann der Erzähler unaufdringlich seine Sammlung vollendeter und unvollendeter Romane vorzeigen, die allesamt im Müll oder in einem Erdloch landen und mit denen er formal wie mit Zigaretten verfährt: hektisch anfangen, Ruhe finden, durchatmen, angewidert aufhören. Und noch einmal. Und so weiter. Der Aschenbecher sowie der Abfallcontainer werden immer voller.

Auf dem Cover wird "Die letzte Zigarette" ein Liebesroman genannt. Fürs Rauchen stimmt das, und autobiografisch ist er irgendwie auch noch, was man sich denken kann. Bruno Preisendörfer verzichtet dabei aber auf die klassischen Kenntlichkeiten in Raum und Zeit, sodass für Fiktion reichlich Platz bleibt. Außerdem spaltet er sich oder seinen Erzähler nicht in den Studenten, den Journalisten ("Zitty", "Tagesspiegel" u. a.) und den Schriftsteller auf (zuletzt erschien von Preisendörfer ein schöner Erzählungenband), sondern allenfalls in den Raucher von Reval, Marlboro oder Schwarzem Krausem sowie in denjenigen, der es phasenweise auch einmal schafft aufzuhören. Doch dann kommen Stress, Schwäche oder eine interessante Frau dazwischen und die Luft wird wieder dicker und dicker.

Etwa Melanie, von der es heißt, "sie wäre zu einem Mord fähig gewesen in diesem Moment, um zu verhindern, dass ihr jemand die Zigarette wegnimmt". Oder Philine, die erst über die gemeinsame Bettlektüre von Italo Svevos "Zeno Cosini" zum Rauchen kommt. Von Carmen erfährt man, wie der Ekel helfen kann aufzuhören und was Thomas Manns "Zauberberg" damit zu tun hat.

Gelegentlich wirkt "Die letzte Zigarette" deswegen ein wenig wie Zettelkastenliteratur: Da hat einer über Jahre viele Zitate übers eigene Hobby notiert und kann sie jetzt, in eine Geschichte eingebettet, endlich mal wiedergeben. Aber das nervt nicht, weil Bruno Preisendörfer gar nicht so tut, als habe er die Dichtung neu erfunden. Sein Roman ist Prosa light, eine angenehm kratzige Story ohne Filter, ein kleines, hübsches und kurzweiliges Buch über Genuss, Leidenschaft und Sucht. Aber wirklich aufhören zu rauchen will man nach der Lektüre nicht. Im Gegenteil.

Anmerkung der Redaktion: Der Text erschien zuerst im "taz Magazin", Nr. 8076, vom 16. September 2006. Wir danken dem Autor für die Publikationsgenehmigung.


Titelbild

Bruno Preisendörfer: Die letzte Zigarette. Ein Liebesroman.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2006.
198 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3821807768

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