Immer Zeit für einen Rotbuschtee

Alexander McCall Smiths sechster Band um Mma Ramotswe langweilt ein wenig

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In den Romanen von Alexander McCall Smith ist noch nie viel passiert. Man muss sich da gar keine Sorgen machen, es gibt keine aufregenden Verfolgungsjagden, keine Schießereien, keine Hetze. Es gibt sogar in den meisten Fällen gar keine richtigen Fälle, weder in seiner Reihe um Mma Ramotswe in Botswana noch in der Serie um Miss Isabel Dalhousie in Schottland.

Auch im neuesten Roman um die "No. 1 Ladies Detective Agency", Precious Ramotswe, einer "traditionell gebauten" Detektivin aus Botswana, geht es wieder eher beschaulich zu. Nachdem sie im letzten Band ihren langjährigen Verlobten, Mr J. B. Matekoni von "Tlokweng Road Speedy Motors" endlich zur Heirat hat bewegen können, taucht auf einmal ihr erster Gatte, der Trompeter Note Mokoti, aus Johannesburg wieder auf. Ein unangenehmer Mensch, brutal zudem, der sie damals öfters geschlagen hatte. Als er erfährt, dass sie geheiratet hat, erpresst er sie. Denn sie hat leider vergessen, sich von ihm scheiden zu lassen, sodass sie eine Bigamistin ist. Sie ist vor Angst und Scham wie gelähmt. Durch Zufall erfährt sie dann, dass auch Note damals schon verheiratet war, als er sie geheiratet hat. Damit ist ihre Ehe mit ihm ungültig und sie gerettet.

Es gibt einige Probleme, die Mma Ramotswe und ihre Sekretärin und Hilfsdetektivin Mma Makutsi umgeben. Da ist der Lehrling Charlie, der sich mit einer reichen, älteren Frau eingelassen hat, die sicher nicht gut für ihn ist. Wütend wirft er seinen Job hin, als sie ihn darauf sanft aufmerksam machen. Als sie ihn einmal verfolgen, als er von seiner Freundin in ihrem dicken Mercedes abgeholt wird, fahren sie beinahe einen älteren Mann um, Mr. Polopetsi. Der war im Gefängnis und findet jetzt keine Stelle mehr. Aber die freundliche Mma Ramotswe stellt ihn ein, damit er in der Werkstatt arbeitet und auch als Gehilfe in der Detektei. Und wirklich macht er sich überall nützlich. Und auch Mma Makutsi hat ein Problem: Bei einem Tanzkurs lernt sie einen schüchternen Mann kennen, der stottert, wenn man ihn anredet. Und dennoch mag sie ihn und wird sogar von ihm umworben. Bis am Schluss sein Vater zu Mma Ramotswe kommt und für ihn um ihre Hand anhält.

Es ist schon ein wenig arg idyllisch in diesem Roman. Was ihn dennoch trägt, ist zum einen seine schöne Stimmung: Ruhig, sacht, unaufgeregt werden die Geschichten erzählt, und man weiß schon am Anfang, dass es keine Tragödien gibt, keine Dramen sizilianischen Ausmaßes. Zum anderen, dass hier eine Gesellschaft im Kleinen vorgestellt wird, in der es noch um Moral geht, um die altmodischen Werte wie Höflichkeit, Rücksicht, gutes Benehmen. All jene zivilisierten Tugenden, die unserer modernen und aggressiv gewordenen Welt irgendwie abhanden gekommen sind. Es ist wie in jenen Tagen, als im Zug noch Kinder aufstanden, um den Älteren ihren Platz anzubieten. Wo man noch nicht alle zwei Minuten Fäkalworte hören musste, wo es noch ruhiger und gesitteter zuging.

So denkt auch Mma Ramotswe immer wieder darüber nach, wie angenehm doch die traditionellen Werte sind: man begegnet sich respektvoll und begrüßt sich mit den hergebrachten Formeln, der Hof ist immer sauber gefegt, man sorgt füreinander und hat immer Zeit für den anderen, für einen kleinen Schwatz beim Rotbuschtee. So sind auch die Schurken meist daran zu erkennen, dass sie unhöflich sind.

Allerdings zeigt diese Reihe inzwischen leichte Ermüdungserscheinungen. Man hat jetzt, nach dem sechsten Band, wirklich begriffen, worum es geht. Und es scheint, als wenn McCall Smith in dieser Serie keine Entwicklungsmöglichkeit mehr hat. Natürlich passiert noch dies und das, allerdings in Maßen. Unterschiedliche Menschen begegnen sich und verschwinden wieder, einige tapsen in Fettnäpfchen, manche denken über sich nach. Aber man weiß nicht, wo das noch hinführen soll, ohne in einen völligen Leerlauf zu geraten.

Ein anderer Punkt, der zu denken gibt, ist, dass sich diese Romane so weit vom Krimi gelöst haben, dass sie eigentlich gar keine mehr sind. Oder reicht es schon aus, dass die Hauptperson eine Detektivin ist, und es ist schon ein Krimi? Vielleicht sind also die Romane von McCall Smith eine Versuchsreihe des Genres, wie weit man gehen kann, ohne dass sie aufhören, zum Genre zu gehören. Ausdehnungsversuche von Versuchsballonen. Platzen sie? Halten sie?

Da es hier nicht um eine Krimitheorie geht, um die sich andere bemühen sollen, kann nur gesagt werden, dass man sich bei Mma Ramotswe auf einem unaufgeregten, unangestrengten, besinnlichen Niveau sehr gut unterhalten lassen kann und man immer noch dieses und jenes über die traditionelle Gesellschaft in Botswana erfährt. Aber langweilig wird es denn doch.


Titelbild

Alexander McCall Smith: Ein Kürbis für Mma Ramotswe. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Michael Kubiak.
Ehrenwirth Verlag, Bergisch Gladbach 2006.
300 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3431037054

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