Sterben kann ich besonders schön

Sylvia Plath - eine Biographie von Anne Stevenson

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1989, also vor gut einem Jahrzehnt, erschien die von Anne Stevenson verfasste voluminöse Biographie Sylvia Plaths erstmals. Unterzieht man sie anlässlich der unveränderten Neuauflage einer neuerlichen Lektüre, so möchte man bald auch "Die Glasglocke" erneut zur Hand nehmen, eine, wie Stevenson treffend charakterisiert, in "frostig, sarkastisch-komischem Stil" gehaltene, "kaum verschleierte" Schilderung der alptraumartigen Entwicklung, die Sylvia Plaths erstem Suizidversuch voranging.

Die Schreibart von Stevensons Autobiographie unterscheidet sich von der der porträtierten Autorin grundlegend. Sie möchte eine "objektive Darstellung" vorlegen, in der sie es unternimmt, "den mutigen Kampf Sylvia Plaths mit sich selbst vor Augen zu führen."

Eine besondere, der angestrebten Objektivität hinderliche Sympathie für die Schriftstellerin hegt sie ganz offenbar nicht. Gelegentlich drängt sich eher der Eindruck auf, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. Etwa, wenn sie Sylvia Plath einer "starren, grausamen Selbstsucht" und "bösartiger Stimmungen" bezichtigt. Ähnlich emphatische positive Charakterisierungen sucht man in dem Buch vergebens. Und wenn sie schreibt, die Autorin der "Glasglocke" habe "eiskalte Verachtung für ihre Figuren empfunden", so scheint sich hierin fast eine gewisse Projektion auszudrücken.

Auch unterlaufen der Biographin immer wieder Klischees, wie das der Entwicklung "vom gewalttätigen Vampir zur tugendhaften Nonne".

Geradezu befremdlich nimmt sich die kommentarlose Darstellung eines "hysterischen Anfalls" aus, "den Richard [Sassoon, ihr damaliger Geliebter] mit einer Ohrfeigenserie beendete". Nicht nur, dass hier das misogyne Klischee des hysterischen Weibes bedient wird, das nur durch einen prügelnden Mann zur Raison gebracht werden kann, eine Rolle, die am besten der Liebhaber übernimmt. Nein, die Geschlagene verfasst sogleich "glücklich [...] ein Gedicht über den Vorfall".

Jedoch wird man mit solchen Entgleisungen durch pointierte, oft in einen Satz gedrängte Charakterisierungen fast schon wieder versöhnt: "Wenig Zeit für Geselligkeit bedeutete völlige Hingabe an die Arbeit - das fand ihre Zustimmung", kommentiert die Biographien Sylvia Plaths verständnisvolle Reaktion auf die Absage, die sie von Freunden nach einer Einladung erhielt.

Stevenson konnte die bis in die letzten Lebensjahre hinein geführten Tagebücher der Autorin heranziehen, in denen ihre "Paranoia [...] in bestürzender Genauigkeit [...] festgehalten" sei. Aus ihnen werden immer wieder kürzere oft aber auch längere Passagen zitiert, so auch die Beschreibung von Sylvia Plaths "altem Bedürfnis, Mutter Leistungen vorzuweisen und als Belohnung dafür Liebe zu bekommen".

Besondere Eindinglichkeit erlangt die Biographie aber erstaunlicherweise erst für die Zeit, von der keine Tagebücher mehr vorliegen: Oktober 1962 bis zum Tag des Suizids im Februar 1963. Ein Tagebuch ist verloren gegangen und das andere, das die Zeit bis unmittelbar vor ihrem Tod kommentiert, hat Ted Hughes, den sie 1956 geheiratet hatte, vernichtet, um - wie er zur Begründung sagte - ihren Kindern die spätere Lektüre zu ersparen. Zwar liegt der Verdacht nahe, es habe sich vielmehr um posthume Rache gehandelt. Denn einige Zeit zuvor hatte seine Gattin in unbegründeter, aber rasender Eifersucht seine sämtlichen Manuskripte in kleine Schnipsel zerrissen. Und in einer zweiten - diesmal begründeten Eifersuchtsaktion - verbrannte sie alles, was sie an Papieren in seinem Arbeitszimmer finden konnte. Allerdings scheint ein mutmaßlicher Racheakt Ted Hughes insofern wenig plausibel, als er sich nach Sylvia Plaths Tod intensiv um die Herausgabe ihrer nachgelassenen Gedichte kümmerte.

Sylvia Plath "suchte den Tod, spottete über ihn und breitete ihren Zauber aus wie eine Hexe", so interpretiert die Biographin die letzten Gedichte der Lyrikerin, die in den seit Oktober 1962 niedergeschriebenen Ariel-Gedichten davon spricht, dass sie die Kunst zu sterben besonders schön beherrsche und zu diesem Ziel berufen sei.

Als Gründe für Sylvia Plaths Suizid vermutete ihr Arzt das Scheitern ihrer Ehe sowie eine nicht näher spezifizierte physische Disposition. Aufgrund der "Sorgfalt", mit dem sie den Suizid vorbereitete, hielt er ihn für einen "sehr entschlossenen Versuch, sich das Leben zu nehmen".

"Die Frau ist vollendet.

Ihr toter

Körper trägt das Lächeln des Erreichten."

Auch dies ihr letztes Gedicht unterstreicht die Aussage und lässt die Entschlossenheit ahnen.

Titelbild

Anne Stevenson: Sylvia Plath. Eine Biographie.
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 1999.
656 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 362700017X

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