Gespräche jenseits der Mattscheibe

Jens Bergmann und Bernhard Pörksen geben einen Band über "Medienmenschen" und deren Inszenierung der Wirklichkeit heraus

Von Nikolai WojtkoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nikolai Wojtko

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Medienmenschen sind solche, die Medien machen, oder durch Medien gemacht werden. Zumeist sind es mediale Kunstgestalten, die sich ganz natürlich, kantig oder eben locker vor der Kamera oder dem Mikro geben. Es ist die Sorte Mensch, die sich in Talkshows aufhält, wie andere in ihrem eigenen Wohnzimmer.

Nun also ein neuer Anlauf, sich dem Phänomen Medienmensch zu nähern. Den Menschen, denen wir aus gutem Grund in unserem Fernseher gefangen halten und mit seinen Sprechblasen nur von Zeit zu Zeit via Mattscheibe betrachten. Gründe, ein solches Buch zu schreiben, gibt es sicherlich einige. Hier ist es der, Seminararbeit für Studenten der Journalistik praktisch werden zu lassen und sie zu Interviews mit Medienmenschen zu schicken.

Was aber sollte uns dazu veranlassen, ein Buch über diese Menschen zu lesen? Schließlich interessiert man sich nicht zwangsläufig für Statements von Menschen, die nur deshalb interviewt werden, weil sie schon einmal mit der Bildzeitung Kontakt hatten. Man wird keinen Grund dafür finden, wenn man die Statements von André Heller liest, abgesehen von seiner Feststellung, wonach er selbst knapp davor ist, sich in etwas Wunderbares zu verwandeln. Selbst wenn man ihm ein Gelingen dieser Metamorphose wünscht. Auch Hans-Olaf Henkel, der im onkelhaften Tonfall von sich gibt, dass seine persönlichen Erfahrungen und Meinungen dem Wohl des Landes dienen, wenn sie medial vertreten werden, und Walter Grupp, der in Korrektheit derartig vernarrt ist, dass er sein Frühstücksei niemals ohne Krawatte und dazugehörigem Anzug verspeisen könnte, steuern keine Argumente zum Kauf des Buches bei.

Nein, was dieses Buch anziehend macht, ist die Selbstgefälligkeit, mit der manche der Interviewten den Studenten gegenübertreten. Es ist diese bizarre Mischung aus gespielter Freundlichkeit, Arroganz und väterlicher Überheblichkeit, die uns die Medienmenschen jenseits ihres bekannten Abziehbildes von der Mattscheibe noch einmal ganz neu erleben lässt. Es ist dieser Tonfall eines Realschullehrers, mit dem Michel Friedman versucht, den jungen Dingern, die ihm gegenüber sitzen, etwas über das Medienleben beizubringen und es ist dazu die verblüffende Erkenntnis, dass die Interviewer weder in Erfurcht erstarren, noch ihren stringenten und konzeptionell ausgetüftelten Frageplan über den Haufen werfen. Gerade in diesen Gesprächen, die so ernsthaft geführt werden, ziehen sich daher höchstens die Interviewten selbst durch den Kakao. Wie nannte eine Interviewerin ihr persönliches Friedman-Erlebnis? Guter Journalismus kann bisweilen wirklich weh tun.

Aber wenden wir uns ab von den Menschen, die wir schon auf der Mattscheibe nicht gut ertragen können und denen zu, die Medien gestalten - oder aber einen durchweg souveränen Umgang mit ihnen pflegen. Beginnen wir mit der Inszenierung der Oberfläche, mit Verona Pooth. Sie gibt sich locker, schafft durch ihre Antworten eine vertrauliche Atmosphäre und achtet stets darauf, ihre Interviewer in ihre Antworten mit einzubeziehen. Nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, wie man anderen Interviews entnehmen muss. Mit Leichtigkeit schafft sie es, sich als smarte Geschäftsfrau darzustellen, ohne dabei öde oder langweilig zu wirken.

Auch das Gespräch mit Spiegel-Autor Jürgen Leinemann ist ein Musterbeispiel für die Entwicklungsmöglichkeiten von politischen Strategien innerhalb einer Mediengesellschaft. Paul Sahner, Chefredakteur der "Bunten", kann sich als einfühlsamer Mensch beschreiben, der nur mal Franz Josef Wagner ein paar Watschen gegeben hat und ansonsten auf keinen Menschen einen Groll hegt, mit einer beinahe göttlichen Ausnahme: Josef Ratzinger wird von dem schlagfertigen Mann beschuldigt, gegen das achte Gebot verstoßen zu haben. Wie konnte, fragt sich der geneigte Leser, der eine Karriere bei der "Bunten", der andere innerhalb der katholischen Kirche machen?

Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", eher ein Mann, der Medien macht, als in ihnen aufzutreten, gibt sich als eloquenter Gesprächspartner, dem es nicht fremd zu sein scheint, brenzlige Gesprächsverläufe zu seinen Gunsten zu entscheiden. Wie er es versteht, aus dem Vorwurf einer Medienverschwörung ganz wie nebenbei ein Kompliment für sich zu basteln, erhellt, weshalb dieser Mann nicht nur Themen der öffentlichen Diskussion konzipiert, sondern auf dieser Welle auch Bestsellerautor werden konnte. Dass er dabei ein politisch denkender Mensch ist, ohne selbst Politiker zu sein, wird ihm von ganz anderer Stelle bescheinigt. Denn wie sagt doch Gregor Gysi in seinem Interview so schön: als Politiker muss man die Dinge radikal vereinfachen, damit die Leute die Botschaft auch innerhalb von dreißig Sekunden verstehen, denn nur solange habe ich in den Medien Zeit, meine Botschaft zu vermitteln.

Wie schön, wenn man also wie Martin Sonneborn Medien hauptberuflich gestaltet und damit alle Zeit zur politischen Entfaltung finden kann. Als ehemaliger Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic" sieht er sich lediglich von der "Bild" und dem "Focus" als namhafte Konkurrenzprodukte bedrängt.

Es ist unstrittig, dass unseren modernen Gesellschaften an vielen Ecken der Ursprung des Mythischen entgegen springt. Wir erleben es, wenn wir im Angesicht einer Hochwasserkatastrophe den entsprechenden Minister mit Schwimmweste, Parka oder Gummistiefeln im Fernsehen sehn. Er kann die Katastrophe so wenig abwenden wie erklären, aber er erzeugt im Wohnzimmer ein Gefühl der undefinierbaren Geborgenheit. Die Lage ist zwar katastrophal, wird aber ernst genommen.

Wir brauchen Medienmenschen und wir brauchen zuweilen ein Buch, das uns diese Strukturen von Menschen in Medien näher bringt. Hier ist ein Band gelungen, der zumindest in vielen Facetten die Liebe zum Thema erkennen lässt. Die Interviews sind gut vorbereitet und informativ zu lesen. Dazu verstehen es die Herausgeber, dem Band mit immerhin 30 Gespräche eine passende Rahmung zu geben. Bei aller Inszenierung, hier werden Medienmenschen anders dargestellt als im Mattscheibenzeitalter üblich.

Man wünscht diesem Buch, das sich traut, von einem ihm eigenen utopischen Kern zu sprechen, eine möglichst große Leserschaft auch jenseits universitärer Journalistik-Seminare.


Titelbild

Jens Bergmann / Bernhard Pörksen (Hg.): Medienmenschen. Wie man Wirklichkeit inszeniert. Gespräche mit Joschka Fischer, Verona Pooth, Peter Sloterdijk, Hans-Olaf Henkel, Roger Willemsen u.v.a.
Solibro Verlag, Münster 2007.
344 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783932927324

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