Schüchterne Hexameterhelden und kolossale Frauenzimmer

Michael Löschs Blick auf Goethe

Von Sonja SakolowskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sonja Sakolowski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Lexikon der goetheschen Dramen- und Romanfiguren herauszugeben scheint angesichts des umfangreichen und unübersichtlichen Werks des Dichters eine sinnvolle Sache zu sein. So greift man denn auch erwartungsvoll zu dem von Michael Lösch verfaßten schmalen Buch "Who´s who bei Goethe" - um enttäuscht zu werden.

Der Autor hat - so teilt er uns mit - sein Nachschlagebändchen zu den literarischen Figuren Goethes aus demselben Grund geschrieben, "aus dem wir auf den Fasching gehen: also aus der Lust heraus, ein anderes Kostüm zu tragen, eines, das sich von oben bis unten, in vielen Teilen von unserer sonstigen Garderobe unterscheidet."

Bei dieser Motivation verwundert es eigentlich nicht, daß sein Buch weder einen literaturwissenschaftlichen Anspruch hat, noch durch Vollständigkeit des Figurenverzeichnisses besticht. Es ist eine subjektive Auswahl von Kurzbiographien einiger goethescher Roman- und Dramencharaktere. Den Mangel an Wissenschaftlichkeit sucht der Autor durch eine etwas gewollt wirkende Flapsigkeit des Ausdrucks zu kompensieren. So witzelt er in den durch Zitate aus Primär- und Sekundärliteratur gestreckten Beiträgen zum Beispiel über Dorothea, das "kolossale Frauenzimmer", oder den "schüchternen Hexameterhelden" Hermann.

Der locker-flockige Ton soll offensichtlich dem literarisch weniger versierten Leser die Angst vor der Klassiker-Lektüre nehmen, denn wie Lösch über das Lesen wohl weiß: "ein bißchen ist es auch Arbeit."

Statt an eine solch subjektive Sicht des goetheschen Werks sollte man sich besser gleich an die Originaltexte und Kommentarteile der gängigen Gesamtausgaben halten - so bleibt einem auch der Primanerhumor des Autors erspart.

Titelbild

Michael Lösch: Who´s who bei Goethe.
dtv Verlag, München 1998.
336 Seiten, 9,70 EUR.
ISBN-10: 3423325356

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