Gemüse-Streik in der Märchenwelt

Maia Brami versucht in ihrem Buch "Probier doch wenigstens!" Kindern das Essen schmackhaft zu machen

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kinderbücher widmen sich gerne Problemen, die Eltern mit ihren Kindern haben. Kinderbücher, die vorgeben, sich mit den Problemen zu beschäftigen, die Kinder mit ihren Eltern haben, sind zwar gut gemeint, aber eben auch wieder nur Bücher von Erwachsenen. Über das Kinderbuch hofft man nun, die Sicht der Erwachsenen in die Kinderwelt einzuschleusen und zu ihrer zu machen. Ein wohl bekanntes Problem ist, dass Kinder nicht das essen wollen, was ihre Eltern ihnen vorsetzen.

So ergeht es auch Leo. Eigentlich möchte er Nudeln, aber die landen auf dem Boden und dann im Müll, und schon steht eine Gemüsesuppe auf dem Tisch, die er nicht mag. Trotzdem bekommt er vor dem Schlafengehen eine Gutenachtgeschichte vorgelesen, diesmal "Goldlöckchen und die drei Bären". Leo kennt die Geschichte schon, und wie jedes Kind möchte er seine Lieblingsgeschichten immer wieder hören. Aber diesmal ist etwas anders. Als Goldlöckchen hungrig das Haus der Bären betritt, da sind die drei Schüsseln, die auf dem Tisch stehen, leer - und nicht voll wie sonst. Leo protestiert, aber seine Mutter versichert, dass es so dort geschrieben stehe. Das kann Leo zwar nicht überprüfen, doch er kann sehen, dass auf dem Bild im Buch kein Essensdampf über den Schüsseln mehr zu sehen ist. Und dann versucht auch noch Goldlöckchen, aus dem Buch herauszukommen!

In der Märchenwelt stimmt etwas nicht mehr. Und so geht es jeden Abend weiter: genau das Essen, das Leo beim Abendtisch verweigert, fehlt wenig später in der Gutenachtgeschichte, und jedes Mal steigen verärgerte Märchen-Protagonisten aus den Seiten. Leo wird es unheimlich und er beschwert sich bei den Märchen, dass diese sich nicht verändern dürften. Was ist passiert? Das Gemüse ist in den Streik getreten, aus Verärgerung darüber, dass Leo es nicht essen will, obwohl er es nicht einmal probiert hat. Leo verspricht, sein Gemüse wieder zu essen - und die Märchenwelt verspricht, wieder zur Ordnung zurückzukehren.

Man sieht, dass dieses originelle und intelligente Kinderbuch einige Anforderungen an die Kinder stellt, die es lesen. Sie müssen bereits ausreichend mit dem Märchen-Original vertraut sein, um zwischen den zwei Versionen unterscheiden zu können. Ob dadurch ein Kind zum Gemüse-Essen animiert werden kann, sei dahingestellt. Vielleicht nützt es etwas, wenn der Appell nicht von den Eltern kommt, sondern aus der Vorstellungswelt des Kindes, die diese in Ordnung wissen will.

Die ganzseitigen Zeichnungen, auf denen der Text gut platziert ist, sind heiter und modern. Die Colorierung rutscht über die Umrisslinien hinaus. In Kontrast dazu sind die Bilder aus dem Märchenbuch nur in Bleistift gehalten. Weil Hintergründe und Umgebungen nur angedeutet sind, wird in den Bildern sinnvoll das jeweilig zentrale Geschehen fokussiert.


Titelbild

Maia Brami: Probier doch wenigstens!
Illustriert von Stéphane Barroux. Aus dem Französischen von Sigrid Laube.
Jungbrunnen Verlag, Wien 2007.
32 Seiten, 14,50 EUR.
ISBN-13: 9783702657857

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