Von Aamanz bis Wigalois

Tilmann Spreckelsen erzählt von den Rittern der Tafelrunde

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zu ärgern beginnt man sich schon auf den ersten Seiten. Da sieht man diese schönen Bilder aus dem Mittelalter: Wie König Uther sich von Merlin in das Ebenbild des Grafen von Cornwall verwandeln lässt. Wie Artus und Ginover Hand in Hand die Tafelrunde verlassen. Wie er aufrecht dasteht, Lanze in der einen, Schild in der anderen Hand, darunter dreißig Kronen mit Namen versehen. Und der Unterschrift: "Zu Artus' Füßen sieht man die Kronen der von ihm eroberten Länder."

Sehr schöne Bilder, kleine Preziosen darunter. Aber erfährt man, von wem die Bilder sind? Nein, es steht nur ein mageres Copyright darunter: "akg-images / British Library". Man blättert nach hinten, denn man erwartet natürlich einen Bildnachweis. Nichts.

"Ein Streifzug durch die Artuswelt" soll das neue Buch in der Reihe "Die Andere Bibliothek" sein, und mehr als das ist es auch nicht. In hundert kleinen Porträts stellt Spreckelsen die Haupthelden der mittelhochdeutschen Epik vor. Seine Quellen sind so vielgestaltig wie, für die Rittergeschichten oder sogar die Namen, manchmal widersprüchlich: Waces Buch "Roman de Brut", in dem 1155 zum ersten Mal die Tafelrunde erwähnt wird, "Erec et Enide" von Chrétien de Troyes, Hartmanns von Aue "Erec" und "Yvain", Wolframs "Parzival" oder die "Crône" von Heinrich von dem Türlin, das Arno Schmidt einmal gelobt hat.

Seine lexikalisch geordneten kleinen Erzählungen beginnen mit dem "ewigen Zweiten", Herrn Aamanz, der dem Ritter Gawan so ähnlich sieht, dass man ihn deswegen erschlägt, und Frau Ade, die sich mit dem strahlenden Helden Lanzelet einlässt, der für sie massenweise Gegner in den Staub haut und erst durch Zauberei bezwungen wird. Frau Ade lässt sich von ihrem Bruder Tibalt davon überzeugen, dass Lanzelet eben doch kein Held war, und verliert vor Kummer den Verstand. Das Buch endet mit Wigalois, dem Wilden Mann und den Wunderketten, jenen Visionen, die Gawan erlebt, bevor er zum Gral kommt.

Eigentlich ist es eine schöne Idee, einmal die ganzen Grals-, Ritter- und Artusgeschichten neu zu übersetzen, sie für uns genießbar zu machen und wieder zum Leben zu erwecken. Für Erwachsene, nicht für Kinder, die ja in ihren Büchern Rittergeschichten genug haben. Das hat auch Spreckelsen durchaus vor: "Abenteuer sollen in diesem Buch erzählt werden", und das geschieht reichlich häppchenweise und ohne dass man die Hintergründe und inneren Zusammenhänge erfährt. Aber das ist für den Autor auch nicht weiter schlimm: "Wenn die Lektüre des einen oder anderen Biogramms dazu anregt, die zugrundeliegenden Romane zu konsultieren, um zu sehen, wie es denn wirklich gewesen ist, hat dieses Buch sein Ziel erreicht." So einfach ist das.

Leider verfehlt er sein Ziel durchaus. Vor allem durch die Sprache. Denn es geht bei ihm sehr viel betulicher, gewollt witziger und flapsiger zu als in manchen für Jugendliche gesammelten und nacherzählten Helden- und Rittersagen von Lechner oder Schwab: "Manchmal weht einen aus dem Gerassel der Waffen oder dem Klirren der Pokale etwas an, das zeitlos ist: ein Hauch von Einsamkeit, der die umgibt, die nicht mittun können oder wollen [...]", schreibt er einmal von tremolierendem Pathos durchzogen. Oder, recht kursorisch: "Dass Artus ihn dann immer noch bei sich duldet, ist erstaunlich, das sich auch die Königin versöhnlich zeigt, ist wohl eine Frage der Raison, und dass Gasozein dann schließlich die hübsche Dame Sgoidamur heiraten darf, setzt den Schlusspunkt unter ein unerfreuliches Kapitel."

Derart oberflächlich und ohne jeden Versuch, zu erklären oder zu erläutern sind diese Erzählungen alle. Man erfährt gerade den groben Rahmen des Ganzen, aber den Sinn muss man dann doch eher erraten als erlesen. Dass Spreckelsen auch die mittelalterlichen Namen im Genitiv falsch schreibt, ist nur ein letztes Tüpfelchen auf dem i eines reichlich misslungenen Buchs.


Titelbild

Tilmann Spreckelsen: Gralswunder und Drachentraum. Ein Streifzug durch die Welt der Tafelrunde.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
324 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783821845814

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch