Money for nothin'

Die neue Sammlung von Harald Schmidts "Focus"-Kolumnen

Von Willem WarneckeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Willem Warnecke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Der neue Schmidt ist ein Meisterwerk der Verschenkliteratur. Kaufen - schenken - wegstellen: der Dreiklang des modernen Zeitalters. Natürlich hat kein normaler Mensch mehr Zeit, Bücher zu lesen. Titel? Unwichtig. Autor? Genau, oder so ähnlich. Entscheidend: Hat man schon mal gehört und klingt doch so wie. Wer auf dem Weg zum Gate noch schnellma dieses Buch kauft, hat vier Bestseller auf einmal. Das sind mehr, als der Beschenkte auf den ersten und letzten flüchtigen Blick erfassen kann. [...] Hätte ich bis Ende Mai 2007 Zeit gehabt, hätte das Buch vielleicht 'Jesus in Tannöd' geheißen."

So preist Harald Schmidt selbst sein neuestes Buch an. Wie bewertet man ein so auftretendes Werk, wie kann man das loben oder tadeln? Ist hier ein "hält alle Versprechungen" eine Empfehlung oder ein Verriss? Oder ist diese Selbsteinschätzung schlicht nicht ernst zu nehmen?

Harald Schmidt hat 74 seiner "Focus"-Kolumnen in sechs Kategorien zusammengestellt und ein paar Vorworte geschrieben: Für acht Euro bekommt man 79 zweiseitige Texte der gewohnten Form. "Gewohnt" ist dabei das Stichwort: Der junge Wilde von "Schmidteinander" lebt nur noch in blassen Erinnerungen fort. Schmidt trägt die inzwischen ergrauten Haare längst nicht mehr lang, seine süffisanten Bemerkungen zu alternden Stars wie etwa den "Rolling Stones" entbehren so nicht einer unfreiwilligen Komik. Denn schließlich ist er es, der nun schon seit Mitte der 1990er-Jahre mit nur minimalen Veränderungen sein unoriginelles, auf platte Weise kopiertes Talkshow-Konzept fährt - während ihm, bildlich gesprochen, zusehends die Zähne ausfallen. "Der Mops wurde gefahrlos und damit konsumgerecht", konstatierte schon Loriot.Der stetig plätschernde, seichte Fluss an Banalitäten und unzusammenhängenden Kalauern, den Schmidt in seinen Sendungen wie in seinen Kolumnen produziert, wird, wenngleich vielen genehm, um abends zur Ruhe zu kommen, nicht erst in der Aneinanderreihung fade. "Dirty Harry", gefeiert als "intellektueller Zyniker", "Meister des Sarkasmus", "gefürchteter Scharfrichter" spöttelt und motzt doch auch im "Focus" nur noch ein wenig respektlos, im vertrauten Stakkato-Tonfall, dabei ganz harm- und belanglos herum, ganz im Sinne des Kreisler'schen "Musikkritikers": "Heute findet jede Zeitung / Größere Verbreitung durch Musikkritiker. / Und so hab auch ich die Ehre / Und mach jetzt Karriere als Musikkritiker. / Ich hab zwar ka' Ahnung, was Musik ist, / Denn ich bin beruflich Pharmazeut, / Aber ich weiß sehr gut, was Kritik ist: / Je schlechter, umso mehr freu'n sich die Leut." Aber ist "fies" plus "gegen alles" plus "Rhetorik" gleich "intelligent"? Ist es nicht vielmehr der Schmidts Schreibstil und "sein" Show-Konzept prägende, dabei bloß vorgebliche Nihilismus, der den altbekannten Reiz ausübt? Noch einmal Kreisler: "Denn jedem [Menschen] ist es recht, / Spricht man von anderen [Menschen] schlecht."

Die Gunst seines Bildungsbürger-Publikums erheischt sich "Ekel Harald", indem er sich lustig macht über "die, wo nicht wissen, dass Kurt Beck Vorsitzender der SPD ist". Nun, wie Dr. Lieschen Müller weiß, würde dieses Wissen zwar bei "Wer wird Millionär?" lediglich ein paar schlappe Hunderter bringen, es müssten davor aber bei Stefan Raabs Politik-Check einige auf der Straße Angesprochene - nicht jedoch Lieschen! - passen. Weitreichende Politik-Kenntnisse belegt es indes nicht; ist das schon Bildungsbürgertum? Und Harald Schmidt sein Prophet? "Die Zeit" ließ es sich vor einem knappen Jahr nicht nehmen, über einen entsprechenden Schnitzer zu berichten: "Als Treffpunkt hat Harald Schmidt das Museum Ludwig vorgeschlagen, direkt gegenüber dem Kölner Dom. Ein Bildungsbürgertreff. Um Punkt 14 Uhr rüttelt Schmidt an der gläsernen Eingangstür. Doch die bleibt verschlossen. Er zieht erneut. Nichts. Es ist Montag. Und montags haben, wie alle Bildungsbürger wissen, Museen geschlossen."

Auf Formate à la Schmidt geht Konrad Paul Liessmann in "Theorie der Unbildung" nicht explizit ein - obwohl das passen würde, liefern diese doch eben kein Kabarett, sondern Comedy. Nur vorgeblich intellektuell-geistreich, unterscheiden sie sich von Boulevard-Magazinen und den "RTL II News" kaum: In seinen Kolumnen plaudert Schmidt über Handyladegeräte, Sternchen und Stars (neben "Angie [Merkel] und Kate [Moss]" etwa den Egomanen Harald Schmidt), Skandale von Gammelfleisch bis Vogelgrippe. Das, wenngleich ausgeleiert, aber eben gespickt mit "wirkungsvoll eingesetzten Aphorismen und Zitaten, die dem Leser ein wohliges 'Donnerwetter, welch Belesenheit' entlocken." Unangreifbar macht sich Sprücheklopfer Schmidt dabei durch seine Selbstironie: "Gut, das war jetzt ein Kalauer!" oder "'Dumm sein und Arbeit haben - das ist das Glück' von Gottfried Benn. Vor Zuschauern gesprochen, löst es immer noch ein tiefes Raunen aus."

Polemiken gegen in Tageszeitungen abgedruckte Leserbriefe - "Natürlich können die Leser nicht schreiben, aber dafür sind sie schwer mit Aussage befrachtet, und mit Moral. [...] Diese Artikel enden fast immer mit Warnungen vor dem Zerfall von Demokratie, Familie und Werten. Grundwerten. Unumstößlich." - beziehungsweise das Sendungsbedürfnis der Deutschen generell treffen freilich den bekennenden Reaktionär Schmidt selbst nicht! Denn der warnt nicht (sondern frotzelt) und kann durchaus schreiben (wenngleich halt zwei Seiten lang lediglich über den dem Leser zuvor unbekannten und danach schnell wieder vergessenen Typus des "Brötchenholers").

Soll dies jetzt also ein Verriss sein? Mitnichten. Damit würde Schmidt viel zu ernst genommen. Die kurzen Texte lassen sich gut lesen und gegen Schotenreißerei ist ja prinzipiell auch gar nichts einzuwenden. Auch für dieses Werk gilt Schmidts Erkenntnis: "Bücher - mehr als Text auf Papier!" Nur hat es seinen Platz eben nicht ledergebunden in der hauseigenen Bibliothek, sondern macht sich, gerade aufgrund der genannten Qualitäten, viel besser auf dem Spülkasten.


Titelbild

Harald Schmidt: Sex ist dem Jakobsweg sein Genitiv. Eine Vermessung.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007.
192 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783462039542

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