"Tu, was du willst, aber sei profitabel!"

Jakob Schrenk beschreibt in "Die Kunst der Selbstausbeutung", wie wir vor lauter Arbeit unser Leben verpassen

Von Brigitte OchsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Brigitte Ochs

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Jeden Morgen erwacht in Afrika eine Gazelle. Sie weiß, sie muss schneller rennen als der schnellste Löwe, oder sie wird gefressen. Jeden Morgen erwacht in Afrika ein Löwe. Er weiß, er muss schneller rennen als die langsamste Gazelle, oder er wird verhungern. Egal ob Löwe oder Gazelle - bei Tagesanbruch muss man rennen." Mit diesem afrikanischen Spruch lässt sich, so Jakob Schrenk, der Alltag des modernen, neoliberalen Angestellten treffend darstellen. Wer im Wettkampf mit den anderen nicht sein Bestes gibt, wird früher oder später auf der Strecke bleiben.

In seinem Erstlingswerk "Die Kunst der Selbstausbeutung. Wie wir vor lauter Arbeit unser Leben verpassen" schildert der gelernte Journalist Jakob Schrenk, wie die Veränderung der Arbeitswelt zu einer immer weiter fortschreitenden Selbstaufgabe der Angestellten führe. Der Traum von selbstbestimmter und freier Arbeit habe sich als Alptraum entpuppt, in dem Angestellte zu Selbstunternehmern würden, deren wichtigstes Erkennungszeichen die dunklen Schatten unter den Augen seien.

Schrenk schildert den neuen Arbeitnehmer als einen "Künstler der Selbstausbeutung", der sich und seine Leistungen für die größtmögliche Produktivität (seines Unternehmens) optimiert. So muss sich der selbstbestimmte Angestellte immer im Stand-by-Modus befinden, das heißt, per Internet, Handy oder Telefon immer und überall erreichbar. Überstunden werden, wenn es das aktuelle Projekt verlangt, als Selbstverständlichkeit betrachtet und oftmals nicht aufgeschrieben. Weiter wird, so Schrenk, von dem neuen Angestellten neben einer extremen Belastbarkeit ("Burn-out und Arbeitssucht als Statussymbole") auch verlangt, jederzeit vorzeigbar zu sein, so dass neben "normalem" Fitnesstraining häufig auch zu den Mitteln der kosmetischen Chirurgie gegriffen werde.

Mit seinem bewusst unwissenschaftlich gehaltenen Werk - eine kurze Bibliografie wäre bei den häufig gebrauchten Zitaten und Verweisen sowohl hilfreich als auch interessant gewesen - möchte Schrenk dem Leser dabei helfen, die Strukturen und Mechanismen der neuen Arbeitswelt zu verstehen, um den daraus resultierenden Gefahren, wie zum Beispiel der totalen Selbstaufgabe zu Gunsten der Arbeit, nicht zu erliegen. Mit provokanten Weisheiten à la "Wir leben nicht mehr für das Leben, sondern für den Lebenslauf" versucht der Doktorand der Soziologie seinen Lesern vor Augen zu führen, dass es neben der Erwerbsarbeit noch andere Möglichkeiten gibt, sein Leben sinnvoll zu gestalten.

Klug, pointiert und unterhaltsam spannt Schrenk einen weiten Bogen von der Verschmelzung von Arbeit und Freizeit über die frühkindliche Förderung als Statussymbol bis hin zum Selbstmarketing und dem Knüpfen von Netzwerken. Das führt unweigerlich dazu, dass vieles thematisch nur angeschnitten werden kann. Dennoch entsteht ein guter, wenn auch etwas pauschalisierender Gesamteindruck von einem Entwicklungstrend innerhalb unserer Gesellschaft, der bereits weit fortgeschritten ist.

Mit seinem Buch, das er bewusst nicht in die Tradition der Ratgeberliteratur gestellt wissen möchte, gliedert sich Schrenk in den bestehenden Diskurs über die moderne Arbeitswelt ein. Sein Werk ist unterhaltsam geschrieben und mit zahlreichen lebensnahen Beispielen versehen, offenbart aber keine wesentlich neuen Erkenntnisse zu diesem Themengebiet. Von der Eröffnung einer Debatte, wie sie auf dem Klappentext angekündigt wird, kann keine Rede sein. Dennoch gelingt es dieser interessanten Lektüre, zum Innehalten und Nachdenken über das eigene Leben und seine Einstellungen zur Erwerbsarbeit anzuregen. Dies dürfte sicher auch der Autor bei der Recherche und Niederschrift des Öfteren getan haben - liest sich doch sein Lebenslauf sehr ähnlich zu den von ihm beschriebenen Workaholics.


Titelbild

Jakob Schrenk: Die Kunst der Selbstausbeutung. Wie wir vor lauter Arbeit unser Leben verpassen.
DuMont Buchverlag, Köln 2007.
224 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783832180270

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