Politische Ökonomie global

Der Aufsatzband "What's new, economy?" beschreibt aktuelle Konflikte der Weltwirtschaft

Von Sönke AbeldtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sönke Abeldt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Benzin wird teurer, die Milchpreise ziehen an, die Steuern steigen, und die Arbeitslosigkeit ergreift alle Schichten - wohin driftet die Weltökonomie? Der im Konkret Literaturverlag vom Politikwissenschaftler und Journalisten Stefan Frank herausgegebene Sammelband "What's new, economy?" sucht Antworten.

Die zehn Autoren der 13 Beiträge - vier Artikel stammen vom Herausgeber - scheinen sich einig zu sein: Der Zustand der Weltwirtschaft kann mit der Worthülse "Globalisierung" allein nicht erschlossen werden. Interessant ist ja nicht, dass Unternehmen global operieren, sondern welche Richtung internationale Produktions- und Lieferprozesse einschlagen und welche Implikationen diese Vernetzung für Politik und Gesellschaft hat.

Thomas Fritz vertritt die These, dass sich Global Players verstärkt auf Forschung, Marketing und Design konzentrieren und die industrielle Herstellung ihrer Produkte an Firmen in Entwicklungsländern vergeben. Wolfgang Müller sieht diese großen Konzerne damit einerseits vor das Problem gestellt, ihr Know how zu schützen, um zu vermeiden, dass jene Partnerfirmen zu Konkurrenten werden. Andererseits hängen die Zulieferer am Tropf ihrer Auftraggeber. Weltweite Nachfrageschwankungen in einer Branche und Fehlentscheidungen eines Unternehmens können Volkswirtschaften in den Ruin treiben.

Der Blick des Buches gilt den Krisen, Konflikten und Abhängigkeiten, die der Weltwirtschaft anhaften: Auseinandersetzungen um Rohstoffe und Bodenschätze, globale Unternehmens- und Machtkonzentration, Inflation infolge ausgeprägter Kreditvergaben, Verselbstständigung der Finanzmärkte, Privatisierung vormals staatlicher Dienstleistungen, Verschärfung der Konflikte auf den Arbeitsmärkten. Auch Chinas Rolle wird gewürdigt.

Jedes dieser Themen bietet Stoff für dicke Studien. Die kurzen und dennoch detailreichen Artikel ergänzen sich gegenseitig und bieten eine informative Bestandsaufnahme. Eine zusammenfassende Einleitung hätte dem Buch sicher gut getan. Wichtiger aber ist: Die Beiträge bestechen durch ihren Bezug zu aktuellen Debatten. Stefan Frank beispielsweise erwähnt in seiner Analyse über die Knappheit des Wassers den Anstieg der Lebensmittelpreise, der die Gemüter in diesem Jahr hat hoch schlagen lassen. Als Ursachen nennt er eine hohe weltweite Nachfrage sowie die vermehrte Nutzung von Anbauflächen für Futterpflanzen und Biotreibstoff statt für Lebensmittel. Künftig müssen die Menschen in Europa einen viel größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, lautet Franks These.

Ein weiteres Dauerthema: Energie. Öl, Kohle, Gas stellen den Treibstroff aller industriellen Prozesse dar. Die Ressourcen gelten als knapp, der Zugang zu Energiequellen als konfliktträchtig. Georg Fülberth spricht von einem "außenpolitischen Kampf um die Sicherung der energetischen Basis" und sieht eine "neu auflebende Rivalität zwischen den USA und Russland" aufziehen. Unklar sei jedoch, welche Stellung Europa und Deutschland im Kampf um die besten Verträge einnehmen. Jörg Kronauer sieht eine "deutsch-russische Allianz" im Konflikt mit den USA (Beispiele: die Yukos-Zerschlagung, Verträge mit Gazprom). Stefan Frank hingegen zeigt, dass EU-Staaten auch nicht-russische Energiequellen anvisieren und anstreben, russisches Gebiet beim Pipelinebau zu umgehen (Beispiel: Erdgas aus dem Kaspischen Meer, geliefert über die Türkei und den Balkan).

Solche polit-strategischen Überlegungen lassen Raum für aufregende Spekulationen, wer im Wirtschaftskrieg letztlich auf der Gewinnerseite stehen wird. Sie lesen sich weitaus spannender als trockenes volkswirtschaftliches Zahlenmaterial - auch darauf verzichtet das Buch jedoch nicht. Zu Recht: Hier wird Politische Ökonomie betrieben, die wirtschaftliche Entwicklungen nicht einfach nur beschreibt, sondern im Hinblick auf politische Interessenlagen untersucht. Nur manche in dem Buch zu findende Verallgemeinerungen über "das" böse Kapital und "die" schlimme neoliberale Ideologie nerven.


Titelbild

Stefan Frank (Hg.): What's new, Economy. Die Transformation der Weltwirtschaft.
Konkret Literaturverlag, Hamburg 2007.
160 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-13: 9783930786510

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