Die Kunst des Lebens - Friedhelm Rathjens biografische Nachforschungen zu Arno Schmidt & Konsorten

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer in der Kunst zu Hause ist, gibt sich häufig genug eher ungern mit dem Leben ab, denn das ist meistens langweiliger und zudem nicht so schön wie die Kunst. Nicht umsonst steht über diesem Buch als Motto ein Satz von Arno Schmidt: "man hat da scheinbar 'die Wahl', ob man als 'Lebens=Künstler' existieren möchte, oder aber als Kunst=Künstler; vor der Illusion, es lasse sich doch gewiß beides vereinbaren, wird gewarnt werden müssen".

Schmidt selbst war ganz gewiß kein Lebens-, höchstens bisweilen ein Überlebenskünstler. Die Fragen aus seiner Biografie, die in dem Band "Die Kunst des Lebens" beantwortet werden, sind denn auch eigentlich eher irrelevanter Natur.

Aber langweilig muss es dennoch nicht zugehen; wo in's Leben Arno Schmidts geblickt wird, wird es oft genug höchst kurios. 1957 wollte der Schriftsteller, eben erst knapp einer Verurteilung wegen Pornografie und Gotteslästerung entgangen, in Niedersachsen eine einsam gelegene Küsterwohnung anmieten und schrieb zu diesem Zweck dem Pastor der Kirchengemeinde von St. Jürgen einen Brief, der in dem Vorschlag gipfelte, das Glockenläuten könne doch das Dienstmädchen übernehmen. Die Wohnung bekam Schmidt nicht, wie er überhaupt lange Jahre seines Lebens an Orten ausharren musste, die ihm nicht gefielen. Den Krieg beispielsweise verbrachte er als Soldat in Norwegen, womit sich ein anderer Beitrag von "Die Kunst des Lebens" befasst. Weitere Themen sind der Versuch Schmidts, als Logarithmenberechner zu Geld und Ansehen zu gelangen, Nähe und Distanz in Bernward Vespers Verhältnis zu Schmidt, Auseinandersetzungen zwischen Helmut Heißenbüttel und Alfred Andersch in ihrem Versuch, Schmidt für eine neue Buchreihe zu gewinnen oder ihn aus ihr fernzuhalten, und ein leicht ins Anekdotische abgleitender Versuch, jene Irlandreise zu schildern, die Schmidt außerhalb der Bücher nie antrat.

Aber nicht nur Schmidt ist Thema in "Die Kunst des Lebens". Die Brüder James und Stanislaus Joyce lebten in Triest einige Jahre unter Umständen, die Gegenstand verstiegener Vermutungen waren; der Frage, was an diesen Vermutungen dran war und was nicht, wird ebenso nachgegangen wie der Frage, was ein "Leben wie Bloom" heute sein könnte. Der Versuch, Joyce mit seinem Zeitgenossen Edward Thomas zusammenzubringen, scheitert weitgehend, aber immerhin nicht ganz. Dafür gelingt der Versuch, Günter Eich mit Samuel Beckett zu verkuppeln, weitestgehend zumindest - ganz gelingen kann bei Beckett bekanntlich gar nichts, weswegen die Rathjen'schen Versuche, Beckett nachzuradeln, habituell im Kreise verlaufen, und auch davon wird berichtet.

Unter touristischen Gesichtspunkten werden ein von Romantikern belebter Friedhof in Rom und das Nordfriesland Emil Noldes und der "Deutschstunde" von Siegfried Lenz in den Blick respektive unter die Räder genommen. Beschlossen wird der Band unter dem Titel "Beschriebenes Leben" mit kritischen Bemerkungen zu biografisch orientierten Büchern von und über: Ilse Aichinger, Samuel Beckett, Lewis Carroll, Juan Goytisolo, Homer, Uwe Johnson, James Joyce, Halldór Laxness, John Lennon, Herman Melville, Adrienne Monnier, Marcel Proust, Alain Robbe-Grillet, Gertrude Stein, Italo Svevo, Bernward Vesper und Virginia Woolf.

F. R.

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Titelbild

Friedhelm Rathjen: Die Kunst des Lebens. Biographische Nachforschungen zu Arno Schmidt & Consorten.
Edition ReJOYCE, Scheeßel 2007.
168 Seiten, 17,00 EUR.
ISBN-13: 9783000228568

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