Angst und Massaker

Gerhard Seyfried erzählt vom Aufstand der Boxer in China

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht." So einfach war das damals. Warum auch nicht? Deutschland wollte schließlich auch ein bisschen Kolonialmacht sein, wie England, und da kam die "Gelbe Gefahr" gerade recht. Fast schien es, als hätten es die Westmächte geradezu darauf angelegt, angegriffen zu werden, so dreist mischten sie sich in die chinesische Politik ein, drangsalierten, missionierten und dirigierten. Natürlich kam es zu einem Aufstand, den Geheimgesellschaften anführten, natürlich musste man sich "wehren", natürlich unterlagen die Chinesen.

Vom Boxeraufstand, mit dem Deutschland 1900 den ersten Stützpunkt in China gewann, erzählt der ehemals linksradikale Karikaturist Gerhard Seyfried. Vergeblich wehrten sich damals die Bauern und Fischer gegen den Ausverkauf und Raub ihrer Traditionen. Gegen die Eisenbahnen, Fabriken und Dampfschiffe, gegen die Arbeitslosigkeit. Zu Tausenden versuchten sie, das Gesandtschaftsviertel in Peking zu stürmen und belagerten es 55 Tage lang, erst heimlich, dann offen von der Kaiserinnenwitwe Tzu Hsi unterstützt.

Bunt und prall voller Geschichten, Beobachtungen und Schicksalen erzählt Seyfried diesen historischen Stoff gleich aus mehreren Perspektiven. Vor allem aus der Sicht von Arletta, einer Privatlehrerin, die mit einer Familie nach China reist und dort nicht nur ein fremdes Land und eine unbekannte Kultur entdeckt, sondern auch die Liebe. Außer ihr erzählen der deutsche Pressekorrespondent in Peking, ein Seeoffizier und ein Reichstagsabgeordneter von den Umtrieben, der Angst und den Massakern, die von beiden Seiten begangen wurden. Denn Kaiser Wilhelm hatte in seiner berüchtigten Rede noch gesagt: "Wie vor 1000 Jahren die Hunnen sich einen Namen gemacht haben, so möge der Name Deutscher auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen."

Zwar ist das Buch aufwendig recherchiert und lebendig erzählt, allzu oft allerdings streift Seyfried die Grenzen der Kolportage und des Kitschs. Seine Sprache kann die Materialfülle und die unterschiedlichen Gefühlslagen nicht recht bändigen. Sprachlich besser gelungen ist der Bericht von Peter Fleming, "Die Belagerung zu Peking". Und literarisch eine andere Liga sind Alfred Döblins "Drei Sprünge des Wang-lun", der in den gleichen Boxerkreisen spielt, von denen auch Seyfried, leider nur aus der Außensicht, erzählt. Zu diesen Büchern sollte man eher greifen, wenn man etwas von dieser Epoche wissen will.


Titelbild

Gerhard Seyfried: Gelber Wind oder Der Aufstand der Boxer.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
500 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783821857978

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