Eine Welt ohne Gott - der Himmel auf Erden?

Ronald F. Currie erklärt in seinem Debütroman: "Gott ist tot" - und negiert damit den Schöpfungsbericht

Von Maria HuhnRSS-Newsfeed neuer Artikel von Maria Huhn

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gott ist zum zweiten Mal Mensch geworden. Diesmal aber nicht als Wanderprediger wie zu Beginn der christlichen Zeitrechnung in Israel. "Als junge Dinka-Frau verkleidet, erreichte Gott gegen Abend ein Flüchtlingslager im Norden Darfurs. Er trug ein dünnes grünes Baumwollkleid, abgetretene Ledersandalen, Creolen an den Ohren und einen Strang schwarzer und weißer Holzperlen um den Hals. Über der Schulter hing ihm ein Stoffsack, in dem ein Kleid zum Wechseln, ein Beutel Hirse und ein Plastikbecher steckten." Wieder begibt sich der Schöpfer selbst unter die Menschen, diesmal aber ist sein Ende endgültig. Gott stirbt an einer Blutvergiftung.

"Sein Tod, dieser eine kleine Tod unter Tausenden, wäre unbemerkt geblieben, hätten nicht ein paar Windhunde, die von seinem Kadaver fraßen, plötzlich begonnen, einen Mischmasch aus Griechisch und Hebräisch zu sprechen."

Als sich die Nachricht von Gottes Tod global verbreitet, bricht das Chaos aus: Kleriker begehen reihenweise Selbstmord. Heranwachsende, die ihre Zukunft zerbrechen sehen, erschießen sich gegenseitig, um diesem Leben - "einer Art Fegefeuer" - ein Ende zu bereiten.

In seinem Debütroman "Gott ist tot" erzählt Ronald F. Currie Junior von einer Welt, in der dieser Ausruf nicht mehr nur die Parole der Ungläubigen ist, sondern grausame Gewissheit. Sieben Kurzgeschichten berichten von einer Menschheit, die keine Gebote mehr kennt, die sich Ersatzgötter sucht und sich im letzten, alles vernichtenden Krieg befindet.

Dani Kitchen etwa träumt gerade von der großen Freiheit nach dem Abitur und einer verheißungsvollen Zukunft, als sie Zeuge wird, wie sich ein verzweifelter Priester von einer Brücke in ein ausgetrocknetes Flussbett stürzt. "Noch Jahre später, lange nach dem Ende der Welt und ihrer Neuerschaffung, träumte Dani davon, wie sie den Arm nach dem Priester ausstreckte, und glaubte beim Aufwachen die gestärkte schwarze Baumwolle seines Hemdsärmels zwischen den Fingern zu spüren."

Der Ich-Erzähler der Kurzgeschichte "Goldener Oktober" denkt indessen über die Möglichkeit des eigenen Freitods nach, während sich neben ihm zwei seiner Freunde gegenseitig das Gehirn wegschießen. Acht junge Männer sind danach noch übrig, "verwaist und verzagt", und das einzige, was sie noch vom Tod trennt, ist das Glück, bisher nicht das kürzeste Streichholz gezogen zu haben. Seit Gottes Tod bekannt wurde, haben sie nicht nur ihre Familien verloren, sondern auch ihre Perspektiven - die Welt ist ohne Gott für sie nur noch ein Scherbenhaufen.

Einer, in dem sich die Menschen neue Götter suchen und diese in ihren eigenen Kindern gefunden zu haben glauben. Den Therapeuten, den die Behörde zur Unterbindung dieses Kinder-Kultes eingesetzt hat, verachten sie voller Passion. Sie machen ihm das Leben zur Hölle: Sein Auto wird regelmäßig demoliert und er lebt in einer versteckten Wohnung unterhalb der Erdoberfläche.

Ronald Currie schildert ein Szenario, das genauso fesselnd wie abstoßend ist. Die sieben Kurzgeschichten können als rückwärtslaufender Schöpfungsbericht verstanden werden, der sich so weit ins Chaos steigert, bis am Ende die Zerstörung der Erde eingeleitet wird. Zwar wird heute oft behauptet, dass es einen Gott nicht gebe. Aber was wäre, wenn Gottes Tod wirklich amtlich werden würde? Genau diese Frage versucht Currie in seinem Roman zu beantworten.

Sein Text macht diese Utopie so glaubwürdig, dass es manchmal einer Erlösung gleichkommt, das Buch beiseite zu legen und sich in der Wirklichkeit wiederzufinden, ob nun mit lebendigem oder totem Gott.

Und siehe, alles war gut.


Titelbild

Ronald F. Currie: Gott ist tot.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Sabine Roth.
Goldmann Verlag, München 2008.
224 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783442311521

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch