Auf den Spuren der Ahnen

Manuel Andrack schreibt eine Anleitung zur Familienforschung und fragt sich: "Von wem habe ich das bloß?"

Von Natascha KohnRSS-Newsfeed neuer Artikel von Natascha Kohn

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Blick auf den Buchmarkt der letzten Jahre genügt, um zu sehen, dass die Themen Familie und Generation Hochkonjunktur haben. Da eröffnet sich eine große Bandbreite an diversen Generationenerzählungen und Familienromanen. Das gleiche Phänomen spiegelt sich auch in der Vergabepraxis des Deutschen Buchpreises wieder: 2005 und 2007 wurde mit Arno Geigers "Es geht uns gut" und Julia Francks "Die Mittagsfrau" jeweils ein Titel aus dieser Sparte ausgezeichnet.

Neben diesen literarischen Verarbeitungen der Generationen- und Familienproblematik hatte unlängst der einstige Mitarbeiter Harald Schmidts, Manuel Andrack, die Idee, selbst Ahnenforschung zu betreiben. Das Ergebnis seiner Bemühungen hat er nun in Buchform unter dem Titel "Von wem habe ich das bloß" veröffentlicht.

In achtzehn Kapiteln beschreibt er die Fortschritte und unterschiedlichen Stationen seiner Recherche, die er bereits 1988 begonnen hatte, die aber damals noch an der Trennung von Ost und West scheiterte. Dabei geht er hauptsächlich zwei Thesen nach, nämlich der, ob es sich bei ihm um einen Nachfahren französischer Hugenotten handelt - was sich sehr schnell als haltlos entpuppt -, und der, dass die Wurzeln der Familie Andrack im Osten liegen. Um seine Thesen zu überprüfen, beschäftigt er sich unter anderem mit der Onomastik, unterzieht sich verschiedenen Gentests oder verbringt viel Zeit über unleserlichen Urkunden brütend in verstaubten, düsteren Archiven. Zuletzt kommt er auf den überaus glänzenden Einfall, Interviews mit nahen Verwandten - wie etwa seinem Vater - zu führen.

Auf diese Weise vermag er es, einige ihm bisher unbekannte Familienmitglieder aufzustöbern. Allerdings bleibt vieles offen, das er dann mit teilweise absurden Spekulationen zu enträtseln versucht. Etwa wenn er in Betracht zieht, dass seine Urgroßmutter wegen eines "unbefriedigenden" Ehelebens am Tod ihres wesentlich älteren Mannes beteiligt gewesen sein könnte. Diese burlesken Vermutungen liefern zwar einen Eindruck von Andracks "Fähigkeit, [s]eine Welt in 1001 Märchen und Geschichten zu sehen und zu schildern" - sie schießen aber im Rahmen einer als Sachbuch präsentierten Familienchronik deutlich über das Ziel hinaus. Trotz seiner lebendigen Vorstellungskraft muss Andrack letztlich einsehen, dass "die entscheidende[n] Frage[n], [...] die nach dem Charakter" und die, von wem man dies oder das geerbt hat, nicht beantwortet werden können. Das bleibt dann doch eher die Domäne fiktiver Familienberichte.

Andrack hat offensichtlich erkannt, dass Ahnenforschung auch die Gefahr birgt, mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht zu werden, zumal dieser Forschungszweig als Grundlage für die nationalsozialistische Rassenideologie diente. Andrack distanziert sich hiervon, indem er betont, dass seine Arbeit den Zweck erfüllen soll, das "Verbindende" mit der Vergangenheit hervorzuheben, und nicht das "Trennende" oder "Ausschließende". So nimmt er gegenüber der allzu deutlichen Begeisterung seiner Großeltern für die Nazis eine kritische Haltung ein, wenn er kommentiert: "Eduard und Mia standen dem Nationalsozialismus wohl mehr als aufgeschlossen gegenüber."

Sprachlich kommt "Von wem habe ich das bloß" in einem lockeren, kumpelhaften und manchmal umgangssprachlichen Ton daher; gelegentlich wirkt seine kindliche Wortwahl etwas befremdlich und fehl am Platz - so etwa, wenn er seine Eltern "Mama" und "Papa" nennt oder wenn er seine neu gefundenen Großneffen als "Racker" bezeichnet.

Auch finden sich im Buch zahlreiche, teilweise humorvolle Illustrationen: Stammbäume, die den Erfolg oder Misserfolg von Andracks Recherchen dokumentieren, Bilder von Familienmitgliedern und besuchten Schauplätzen oder Fotocollagen, die den Autor als Hugenotten darstellen oder seine Ähnlichkeit zu Saddam Hussein belegen sollen.

Amüsant soll wohl auch der Text an sich sein, was Andrack stellenweise durchaus gelingt, leider begnügt er sich aber häufig mit Plattitüden, etwa wenn er über seine "wilde Theorie vom Dorf ohne Kirche" witzelt: "Man sollte eben Letztere immer in Ersterem lassen." So mancher Gag wirkt abgenutzt und klischeehaft, zum Beispiel, wenn er erklärt, dass sein Urgroßvater an einer "tolle[n] Todesursache" gestorben ist - natürlich nicht "beim Sex im hohem Alter", sondern beim Tanzen. Schade, wenn man bedenkt, dass der Autor auch als Kabarettist (zusammen mit Harald Schmidt) tätig ist und eigentlich witziger sein können sollte.

Den Nutzwert dieses Buchs sieht Andrack darin, als eine Art "Gebrauchsanweisung" für all diejenigen zu fungieren, die nach der Lektüre Lust bekommen haben sollten, selbst auf den Spuren ihrer Ahnen zu wandeln. Dafür fasst er am Ende jedes Kapitels noch einmal die Resultate seiner Forschungsetappe zusammen, gibt Erklärungen, Tipps sowie Links und Adressen.

Für angehende "Familienforscher" bietet der Band bestimmt einen leichten Einstieg in den komplexen Bereich der Genealogie. Für eingefleischte Manuel-Andrack-Fans oder Leser, die sich gerne viele Bilder mit möglichst wenig Text ansehen, lohnt sich das Buch sicher auch - ein anderes Publikum wird damit wohl eher wenig anfangen können.


Titelbild

Manuel Andrack: Von wem habe ich das bloß. Auf den Spuren der Ahnen. Eine Gebrauchsanweisung.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008.
184 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783462040388

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