Frauen gegen Frauen
Der Versuch der Frauen, sich neu anzusehen
Von Anastasia Shaligina
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEs gibt Frauen, die ziemlich viel über Frauen schreiben. Und es gibt genügend Frauen, die das dann einschätzen, zum Beispiel in dem Sammelband "Wenn Frauen zu sehr schreiben". Hier wird spöttische Kritik geübt, besonders an Frauenbildern. Die Autorinnen wollen weder zur Schar der ewigen Opfer noch zu den Powerfrauen gezählt werden.
Dabei bilden die Aufsätze keine homogene Einheit. Das, was in einem Text behauptet wird, kann schon im nächsten bestritten werden. Petra Schneider beispielsweise betrachtet von allen Seiten das Anderssein der Frau. Dorothea Dieckmann dagegen scheint eine solche Sichtweise kaum zu unterstützen. Denn sie meint, dass die "Frauen lesen / sehen anders"-Methode die weibliche Identifikation immer an denselben Ort treibe, an den Ort der beleidigten und erniedrigten Opfer. Von solchen Opfern wird außer acht gelassen, so Dieckmann, dass sie oft überlegener sind als ihre männlichen Gegner. Dorothea Dieckmann schlussfolgert, dass man die weibliche Rezeption von der Selbstzensur befreien und den Leserinnen Möglichkeit geben müsse, "zwischen einer ' 'männlichen' und einer 'weiblichen' Identifikation frei zu wählen".
Kaum attraktiv ist die Opfer-Rolle für Elke Schubert, die einen bösen Verriss über Bücher der feministischen Linguistin Senta Trömmel-Plötz liefert. Trömmel-Plötz sehe überall, doch vor allem in der Sprache, das Indiz für die Unterdrückung und Vergewaltigung der Frau und vereine Opfer zu einer homogenen Gruppe. Auf keinen Fall will Elke Schubert zu diesem langweiligen solidarischen "Wir" gehören. Ihrer Meinung nach ist die Opferrolle so populär, "weil sie keine zwingt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen".
Im Gegensatz zu Elke Schubert, für die 'weibliche Solidarität' utopisch klingt, vermisst Petra Schneider die Loyalität zwischen Frauen. Sie stützt sich auf Shere Hite, indem sie darstellt, dass gerade das Tabu der weiblichen Solidarität die Macht der Frauen einschränkt und dass die Ursachen dafür tief in der Tradition verwurzelt sind. Deswegen mahnt Schneider zur Befreiung der Frauen von stereotypen Verhaltensweisen, zur Aufhebung der Tradition.
Andere Pole weiblicher Identitäten, nämlich 'die Powerfrau' oder 'das freche Mädchen', finden bei den Autorinnen ebensowenig Unterstützung. So spottet Britte Geithe über den Feldzug von Harriet Rubins, der "aus den Nieten in Rüschenblusen den weiblichen Manager-Vamp in allen Lebenslagen" mache. Außerdem wirft Geithe der Autorin die Vortäuschung von Wissenschaftlichkeit sowie schlichte Argumentation vor.
Das besonders von Frauen beliebte Krimi-Genre wird auch zur Zielscheibe der Kritik. Empört ist Silke Burmester, weil die heiß geliebte Schriftstellerin Rita Mae Brown bei einem einfachen, aber erfolg- und geldbringenden Schema des Katzenkrimis verharre, statt "den feministischen Anspruch ihrer früheren Arbeit" zu erfüllen.
Als harmlos definiert Susan Sitzler den Feminismus bei Benoîte Groult, weil die Lösung des Konflikts oder genauer gesagt des Hasses ihrer Heldinnen gegen sich selbst über den "guten Sex [...] nach der Menopause", "das beste aller Heilmittel im Universum der Benoîte Groult", nicht hinauskomme. Auch der Groultschen Sprache gelingt es nicht, der strengen Einschätzung von Sitzler zu entkommen. "Schwül, blumig, detailverliebt und niemals originell" findet Sitzler die Schreibweise der Schriftstellerin.
Gefahr für den weiblichen Geisteszustand, so die Tendenz dieser Studie, droht nicht nur von der Seite schlechter Krimis oder theoretischer Aufsätze, sondern auch von der Seite harmloser Frauenzeitschriften oder schöner Puppen. Das Gemeinsame zwischen ihnen ist, so die Verfasserinnen, dass sie dem Bewußtsein der Mädchen bzw. Frauen ein Idealbild einprägen, das sie unzufrieden lässt mit ihrem Körper und sich selbst.
Wie die Autorinnen selbst mehrmals bemerken, erreichen die von ihnen kritisierten Bücher ziemlich hohe Auflagen. Bei vielen Leserinnen wird das Interesse an solchen Elaboraten zu einer Art Sucht. Deshalb versucht Gabriela Wachter, "die bessere Hälfte der Menschheit" aus dieser Lesefalle zu befreien. Die Kritikerin suggeriert den Frauen, dass sie ein Frauenbuch nach dem anderen lesen würden, "um systematisch ihren Geisteszustand zu ruinieren, um ihren Lebensmut und ihr Selbstvertrauen zu zerstören, um sich lebenslang zu versklaven". Schließlich greift sie zum Argument, dass starke Leserinnen zu viel Geld für ihre Lesbenkrimis und Powerfrauenromane ausgeben würden. Und dieses Argument ist viel wirksamer als alle vorherigen.