Liebe in Zeiten der Weltwirtschaftskrise

Jakob Arjounis modernes turbulentes Metropolen-Märchen "Der heilige Eddy" schildert temporeich die Irrungen kleiner und großer Hauptstadthalunken

Von Luitgard KochRSS-Newsfeed neuer Artikel von Luitgard Koch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich male den Teufel an die Wand", verrät Schriftsteller Jakob Arjouni, dessen Kriminalromane mit Kemal Kayankaya, dem deutschen Privatdetektiv türkischer Herkunft, längst Kult sind, "damit er mir nicht begegnet". Die Hauptfigur seines neuen schnoddrigen Berlinromans "Der heilige Eddy" scheint allerdings mit ihm Bekanntschaft zu machen. In Form des meistgehassten Mannes in Berlin, dem Imbissbuden-Millionär und Großkapitalisten Horst König, steht er dem charmanten Trickbetrüger Eddy eines Tages auf dem Treppenabsatz eines Kreuzberger Hauses leibhaftig gegenüber. Grund: Der einst gefeierte Retter der Hauptstadt-Ökonomie, der sich als gierige "Heuschrecke" entpuppte, sucht seine verlorene Tochter Romy. Und damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Es kommt zu einem Handgemenge mit dem legendären Tycoon.

Was jedoch wie eine klassische Kriminalkomödie beginnt, mündet zum Schluss sogar in eine zarte Liebesgeschichte. Arjounis übermütiger Schelmenroman wirkt so furios abgedreht wie derzeit unsere Welt. Pointenreichen bestechen seine Sequenzen mit dem Charme, Witz und Tempo einer quirligen Screwball Komödie von Billy Wilder. Mit ironischem Blick auf das heutige Berlin, der korrumpierten Hauptstadt des schönen Scheins, gelingt dem 45-Jährigen fast schon eine Gesellschaftssatire unserer neoliberalen globalisierten Spielerrepublik samt seiner heuchlerischen Hochstaplermentalität.

Seinen Lebenskünstler Eddy schickt der gebürtige Frankfurter zur Läuterung auf eine spannende, märchenhafte Reise durch die abenteuerlichen Wirren des Lebens. Eddy besitzt Stil und durchschaut mit der ihm eigenen Chuzpe die Mechanismen der gesamtdeutschen Gesellschaft. Sonst könnte er als dreister Trickbetrüger nicht überleben. Natürlich steht der kleine Hauptstadthalunke nicht auf Seiten der Gewinner. Die Identifikation mit dem gewieften Anti-Helden fällt einem, im Gegensatz zu dem Opportunisten Max Schwarzwald aus seinem Science-Fiction-Roman "Chez Max" oder Joachim Linde, dem selbstgerechten Lehrer aus "Hausaufgaben", nicht so schwer.

Selbst Arjounis Nebenfiguren, wie der aalglatte Boulevardjournalist oder Eddys Musikerfreund, der loyale Deutschrusse Arkadi, wirken bestechend lebendig. Präzise und genau beschreibt der gefeierte Krimi-Autor, der mehr und mehr zum souveränen Erzähler avanciert, seine Charaktere und Milieus. Die slapstickhaften Verwicklungen gepaart mit scharfzüngigen Dialogen unterhalten intelligent bis zum Schluss. Der Spannungsbogen trägt auch ohne eindeutige Krimihandlung. Und selbst der Teufel, den Arjouni an die Wand malt, ist nicht nur das personifizierte Böse.


Titelbild

Jakob Arjouni: Der heilige Eddy. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2009.
245 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783257861815

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