Wurschtegal, worum es geht

Thilo Bocks Roman "Die geladene Knarre von Andreas Baader"

Von Thomas BlumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Blum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sebastian, der jugendliche Erzähler, ist kein besonders fleißiger Student. Viel lieber als in der Bibliothek verbringt er seine Zeit mit seiner Freundin Rieke im Bett. Und auch sonst gibt sich das Personal des Romans, ein Häuflein plappersüchtiger Mittzwanziger, einem heiter-unbeschwerten Studentenleben hin, das überwiegend aus Sex, Grillen im Park, Herumhängen, Biertrinken und redundantem Gequatsche besteht. "Naja, sagt Meier, links ist schon auch ein Grundgefühl für mich, irgendwie idealistisch eben. Ja, sage ich, das hat viel mit Sympathie zu tun." Unterhaltungen und Reflexionen dieser Qualität lassen sich zuhauf finden.

Nach einer Weile fragt man sich bei der Lektüre, welcher Leistung des Autors man größere Bewunderung entgegenbringen soll: dem Fleiß, mit dem er diese gewaltige Menge an belanglosem studentischem Partypalaver zusammengetragen hat, das seine Figuren beständig vor sich hinquatschen (sind Studenten heute tatsächlich so dumm?), oder dem täuschend echt nachempfundenen Redestil - einer Mischung aus extrem reduziertem Vokabular und Telenovela-Blabla -, den der Autor den Studenten in den Mund legt und der mit dem, was früher einmal die deutsche Sprache gewesen ist, nur noch rudimentär zu tun hat? "Ja, echt, sagt sie, das ist doch geil, oder, ja, voll toll, sage ich, das klingt super, das klingt total aktuell, sagt sie, auf jeden."

So rauscht das leere, armselige Studentengebrabbel in diesem so gut wie absatzlosen Fließtext am Leser vorbei, und am Ende ist es wurschtegal, worum es geht: Medien, Politik, Weltgeschehen, Liebe, Leben, Tod.

Durchweg erzählt der Autor obendrein, indem er in einer endlosen Reihung immergleicher Sätze den ermüdenden Stil eines Zehnjährigen pflegt: Und dann sage ich, und dann sagt er, und dann sagt sie, und dann sage ich wieder.

Auch an den aus hunderttausend Groschenheften abgekupferten Trivialstil, der heute den gesamten Ausstoß an Literatur ganz und gar durchdrungen hat, hat man sich ja bereits gewöhnt, auf dem Buchmarkt gibt es ja kaum noch anderes: "Unter ihrem strahlendweißen Shirt zeichnen sich große runde Brüste ab, die sanft zur Musik wiegen." Aber wenn's nur das allein wäre.

Es stellt sich auch die Frage, ob der Erzähler, wenn ihm beim Sex sein eigenes Sperma an die Lippen gerät, dieses Geschehen plötzlich in einem stark an den Erzählduktus von Botho Strauß erinnernden Ton schildern muss: "Ich schmecke die salzigen Reste meiner inneren Erdigkeit." Nein, nein, Herr Bock, bei allem Respekt für den armseligen Ey-echt-geil-voll-total-toll-Slang, den Sie anscheinend erfolgreich der derzeitigen Studentengeneration abgelauscht haben und über Hunderte von Seiten gekonnt wiedergeben, aber redet so ("salzige Reste meiner inneren Erdigkeit") ein etwas unterbelichteter Student daher? (Es sei denn, er hat zu viel von Botho Strauß gelesen.)

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien bereits in konkret 4/2009. Wir danken dem Autor für die Publikationsgenehmigung.


Titelbild

Thilo Bock: Die geladene Knarre von Andreas Baader. Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009.
475 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783462040821

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