Ungezügeltes Temperament
Josef Rauch konstruiert in seinem Roman „Rickeracke“ Streiche à la Max & Moritz
Von Renate Schauer
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWie transferiert man die bekannten Max-und-Moritz-Eskapaden in die Gegenwart? Josef Rauch riskierte diesen Streich mit viel Lust auf Satire und einer bemerkenswerten Umdeutung der ‚Moral von der Geschicht‘. Sein Buch „Rickeracke“ verzettelt sich aber in Überfrachtungen.
„Ein Max und Moritz Krimi“ kündigt der Untertitel an. So kann man die Grobstruktur des Buchs absehen: erst ermordete Hühner, dann stürzt eine manipulierte Brücke ein, irgendetwas wird explodieren, später Ungeziefer die Gemüter erregen und so weiter. Täter unbekannt. Ein Detektiv tritt als Ich-Erzähler auf. Er ermittelt auf dem fiktiven Bauernhof „am Ende der Welt“. Die Bäuerin hat ihn engagiert.
Besonders unglaubwürdig ist die Figur ihres unsympathischen Mannes konzipiert, der erst so ungehobelt wie wortkarg ist, bald aber unverhofft eloquent wird und beispielsweise übers eigene Brotbacken referiert. Er schindet Eindruck mit seinem Bewusstsein „naturbelassen, schmackhaft und gesund“ zu backen. Solche Ausführungen würden gut in eine Schulstunde passen – hier sind sie als gewollte Irritation vor der Kulisse des heruntergekommenen Hofs mit schiefem Dach gerade noch hinnehmbar. Geschmacklos ist dann aber die Serie von Witzen, die der angetrunkene Bauer zu vorgerückter Stunde – ja, er brennt auch leckeren Schnaps – von sich gibt. Hier misslingt der beabsichtigte Bruch als Stilmittel, der Roman gleitet ab ins erzähltechnisch Peinliche. Das ist nicht die einzige Schwachstelle in diesem Krimi.
Als würde er seine eigene Groteske selbst auf den Arm nehmen, geizt der Autor nicht gerade mit klischeehaften Charakterisierungen. So wird beispielsweise die (schüchterne) Tochter mit Kulleraugen ausgestattet und hat „die schlanke, grazile Figur eines Rehs“. Zuschreibungen dieser Art wirken nicht karikierend, sondern stören, denn Rauchs Wortvirtuosität lässt die Fähigkeit zu feineren Differenzierungen durchaus erahnen. Deshalb kann man sich nicht erklären, warum der Autor der ansonsten guten Idee schadet, indem er überbordend alles auftischt, was ihm in den Sinn kommt. Traut er seinem eigenen Witz nicht?
Spürbar bleibt die gute Absicht, doch rettet sie nicht über eine gewisse Ratlosigkeit hinweg. Gespannt macht nicht zuletzt die Anlehnung an Wilhelm Busch, dessen Original übrigens zwischen den Kapiteln samt Zeichnungen abgedruckt ist. Einem Streich in den Streichen ähnelt der Entschluss, quasi alles satirisch zu erzählen. Wer oder was soll hier eigentlich aufs Korn genommen werden?
Respektiert man die Freude am unentwegt Witzigen aus purem Willen zu unterhalten, darf aber die eine oder andere Formulierungsakrobatik auch mal unter den Tisch fallen. Nur wegen des schräg anmutenden Szenarios und der Auflösung am Schluss bleibt dieses literarische Experiment im Gedächtnis haften. Übertreibungen dürfen sein, doch Bizarres – wie im Klappentext versprochen – wäre markanter, wenn mehr erzähltechnische Souveränität walten und ein gezügeltes Temperament die Verliebtheit in die Satire sparsamer dosieren würde.
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