Antrieb durch seine Schüler

Zum Tod des amerikanischen Star-Autors Frank McCourt

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Erst 1996 war sein Stern am Literaturhimmel aufgegangen, als er – immerhin schon Mitte 60 – mit seinen Kindheitserinnerungen „Die Asche meiner Mutter“ einen sensationellen Erfolg landete. Aus dem unscheinbaren Highschool-Lehrer Frank McCourt wurde binnen kurzer Zeit ein weltbekannter Schriftsteller, der 1997 den Pulitzer-Preis erhielt. Mehr als sechs Millionen Exemplare seines literarischen Erstlings (1999 von Alan Parker verfilmt) wurden weltweit verkauft und bescherten ihm einen späten Reichtum, der es ihm ermöglichte, einige Jahre in Connecticut in unmittelbarer Nachbarschaft der Weltstars Dustin Hoffman und Meryl Streep zu leben.

Der Erfolg des aus einer armen irischen Einwandererfamilie stammenden Autors, der am 19. August 1930 in New York als erstes von sieben Kindern geboren wurde, beruht auf seiner unprätentiösen, auch für ein Massenpublikum zugänglichen Erzählweise. „Schlimmer als die gewöhnliche armselige Kindheit ist die armselige irische Kindheit und noch schlimmer ist die armselige irische katholische Kindheit“, hatte McCourt geschrieben, der drei seiner Geschwister im Kindesalter verloren hat. Als er vier Jahre alt war, kehrte seine Familie nach Irland zurück. Sein alkoholabhängiger Vater war häufig arbeitslos und setzte sich 1940 nach England ab. 1949 kehrte Frank McCourt in die USA zurück, arbeitete zunächst in einem Hotel, ging zur Armee, war drei Jahre in Bayern stationiert und begann danach ein Studium in New York. Nebenbei jobbte er als Handlanger am Hafen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

McCourt war ein Erinnerungskünstler, ein exponierter Vertreter der nüchternen, aber dennoch spannenden Doku-Fiktion, der wiederholt auf den reichen Fundus seiner eigenen Vita zurückgriff. Den Kindheitserinnerungen in seinem erfolgreichen Debüt („Wenn ich auf meine Kindheit zurückblicke, frage ich mich, wie ich überhaupt überlebt habe.“) ließ er den Band „Ein rundherum tolles Land“ folgen, der mit seiner Rückkehr von Irland in die USA in den späten 1940er-Jahren einsetzte. Der 2006 unter dem Titel „Tag und Nacht und auch im Sommer“ erschienene Abschlussband von Frank McCourts Erinnerungen beschäftigte sich mit seiner 30-jährigen Tätigkeit als Lehrer und setzt im Jahr 1958 ein – an seinem ersten Unterrichtstag.

Vermutlich war es sogar diese Tätigkeit, das enge Zusammenleben mit rund 12.000 jungen Menschen und der damit verbundenen Auseinandersetzung mit deren Sorgen und Ängsten, die McCourt im Pensionärsalter mit seinem reichen Erfahrungsschatz den Weg zur Literatur vorgezeichnet hat. Dass es so gewesen sein könnte, vernehmen wir am Ende des Bandes, als der Lehrer von einem seiner Schüler den Rat erhält, ein Buch zu schreiben. „Ich probier’s“, lautet die lakonische, für McCourts Tonfall durchaus programmatische Antwort.

Auch als Lehrer bevorzugte McCourt bisweilen unkonventionelle Methoden; den stur am Lehrstoff ausgerichteten, autoritären Frontalunterricht mochte er nicht. Aus Kochrezepten ließ er Songtexte arrangieren, statt der auf dem Lehrplan vorgesehenen Lyrik von T.S. Eliot interpretierte er mit seinen Schülern eingängige Kinderlieder. Es sind nicht pädagogische Überzeugungen, die sich hinter diesen extravaganten Touren verbargen, sondern Kompromisse, die das Zusammenleben zwischen Lehrern und Schülern erträglich gestalteten. „Die Angst in die Ecke schieben“, lautete das Lebensmotto, dem sich Schüler wie Lehrer gleichermaßen verpflichtet fühlten. „Anstatt zu unterrichten, habe ich Geschichten erzählt“, schrieb McCourt im Band „Tag und Nacht und auch im Sommer“. Am 19. Juli ist der Erfolgsschriftsteller, der seit geraumer Zeit an Hautkrebs litt, in einem New Yorker Hospiz im Alter von 78 Jahren an den Folgen einer Hirnhautentzündung gestorben.