Für Benutzer verboten!
Die Beiträge zur Kunst und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins im 77. Band der Jahresschrift „Nordelbingen“ sind nicht nur von regionalem Interesse
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / Literaturhinweise1923 riefen Walter H. Dammann und Harry Schmidt die Jahresschrift „Nordelbingen“ ins Leben. Seither erscheint sie ohne Unterbrechung. Dies ist für sich genommen schon einmal keine geringe Leistung. Als jüngster der Reihe liegt seit Ende des letzten Jahres der 77. Band vor. Wie alle seine Vorgänger enthält das ansprechend aufgemachte Buch ausweislich des Untertitels „Beiträge zur Kunst und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins“. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass sie notwendigerweise nur von regionalem Interesse wären, wie einige von ihnen glänzend beweisen.
An erster Stelle wäre da die forschungsrelevante Publikation einer Reihe von bislang unveröffentlichten Briefen der jungen Franziska (beziehungsweise Fanny) zu Reventlow aus den Jahren 1884 bis 1894 zu nennen, die sich später einen bis heute klangvollen Namen als literarische Chronistin der Münchner Bohème erwerben sollte. Heide Hollmer und Kornelia Küchmeister haben die insgesamt sechszehn Briefe Reventlows an ihre Freundin Anna Peterson und den schon damals nicht unbekannten Ferdinand Tönnies transkribiert, herausgegeben und mit einem kenntnisreichen Kommentar versehen.
Auch der Beitrag von Hans-Jürgen Krähe und Karl-Ernst Laage über einen Aufenthalt Alfred Kerrs an der schleswig-holsteinischen Westküste wäre zu nennen. Er wartet ebenfalls mit bislang unveröffentlichtem Quellenmaterial auf. Denn das Autorenduo hat einige längere Passagen aus den bislang noch nicht publizierten Tagebüchern des bekannten Berliner Theaterkritikers in seinen Beitrag eingearbeitet.
Dieter Pust würdigt hingegen zwei „einheimische Künstler“ und rekonstruiert ihre Förderung durch die Stadt Flensburg. Es handelt sich um Theodor Sander und Max Hagen. Beide sind sie heute nur noch wenigen bekannt. Dabei hat Hagen den Einband für ein Stück geschaffen, das seinerzeit als blasphemisch skandalisiert, verboten und somit berühmt wurde: Oscar Panizzas „Himmelstragödie“ mit dem Titel „Das Liebeskonzil“. Der vorliegende Band bildet den Einband des in der Universitätsbibliothek Jena vorhandenen Exemplars ab, auf dem der handschriftliche Vermerk zu lesen ist: „Beschlagnahmt! Darf nicht an Benutzer gegeben werden!“
Weitere Beiträge informieren über die „Beschlagnahmung ‚entarteter‘ Kunst in Schleswig-holsteinischen Museen (Ulrike Wolff-Thomsen) und „zwei Fallbeispiele“ von Theaterzensur (Rolf-Peter Carl). Karl Ernst Laage, der bereits an dem Beitrag über Alfred Kerr beteiligt war, zeichnet in einem weiteren Text den Werdegang und Weg einer „Gemälde-Wanderausstellung des Kieler Kunstvereins im Jahre 1865“ nach, Bärbel Manitz dokumentiert und erläutert in ihrem reich bebilderten Beitrag Werke des Kieler Malers Fritz Stoltenberg und Heiko K. L. Schulze begibt sich im umfangreichsten Text des Bandes zurück in die Entstehungszeit des Schlosses Plön und berichtet über neue Ergebnisse der Bauforschung des Landesamtes für Denkmalpflege.