Seh- und Seehungrig
Der Maler und Schriftsteller Bruno Epple erinnert seine Kindheit am See
Von Anton Philipp Knittel
Besprochene Bücher / Literaturhinweise„Bilder suchen mich heim. Ein Bild ruft das andere hervor, jedes wie aus Schweigen, doch fordernd, dass es sich endlich aussprechen kann. Dass es sich aus dem Erstarrtsein löse ins Geschehen, in eine Geschichte“, heißt es einleitend in den Kindheitserinnerungen des 1931 in Rielasingen am Bodensee geborenen Malers und Schriftstellers Bruno Epple. Unter dem Titel „Vor allem der See. Erinnerte Kindheit“ bietet Epple die Kindheit als ein stimmiges Kaleidoskop erinnerter Bilder und Sequenzen dar, die der als Maler und vorwiegend als Mundartdichter bekannt gewordene ehemalige Lehrer gleichwohl zu einem Ganzen zusammenzufügen vermag. Dabei ist nicht die Chronologie der Ereignisse wichtig, sondern der Fluss der wieder rekonstruierten „Bilder aus der Knabenzeit“.
In 39 kurzen Kapiteln ruft Epple Orte, Dinge, Menschen und Gefühle aus dem Leben des acht- oder neunjährigen Buben auf der Halbinsel Mettnau am Bodensee wieder auf, um sie mit eigentümlicher Kraft poetisch zu einem eindrucksvollen Gemälde der Zeit Ende der 1930er-Jahre zu verdichten. Beginnend mit der Erinnerung an „Das Haus“, das „wie ein weißes Schlösschen mit rundem, hoch zugespitztem Turm aus einer grünen Woge von Büschen und Hecken“ emporragte, über augenblickhafte Bilder ans „Lernen“ mit der Mutter in der „Küche im Nachmittagslicht“, über unbedachte Streiche und über negative wie positive Lehrerfiguren bis hin zur Rückkehr „Zurück zur Mettnau“ skizziert Epple den Lebensweg des Buben zu Beginn der Kriegszeit. Zu den beeindruckenden Gestalten, die er dabei wieder aufleben lässt, gehört Vikar Ruby, respektvoll nur „De Maa“ genannt, ein begnadeter Erzähler, der den Nachstellungen der Nazis standhält.
Epple fixiert in „Vor allem der See“ immer wieder Momente und Bilder, die lange in „den Wassern des Vergessenseins“ versunken waren, zu einem Panorama des Daseins, oder wie Martin Walser es einmal schlicht formuliert hat: „Er hat eine vollkommene Sicherheit im Ausdruck des Seienden. Alles reine Eppliaden. Das ist schon schön. Mehr kann man nicht sein.
Nach „Den See vor Augen“ und „Im Zug zurück“ ist die jetzt „Erinnerte Kindheit“ der beeindruckende Bilderbogen eines „Seh- und Seehungrigen“, der keine Idylle zeichnet, sondern jenen wieder aufleben lässt, der einmal „in atemvoller Neugier Leben eingesogen“ hat.
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