Heideggers Denken der Sprache

In seiner Habilitationsschrift „Die Offenheit des Sinns“ versucht Michael Steinmann, Heideggers Sprachphilosophie zugänglich zu machen

Von Stefan DegenkolbeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Degenkolbe

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ob man Heidegger ein einheitliches sprachphilosophisches Konzept unterstellen kann, oder ob man zumindest eine Idee von Sprache identifizieren kann, die sein Werk durchzieht, ist nicht ohne weiteres klar. Denkt man an die frühen Studien zur Logik, die sich mit der Urteilslehre des Neukantianismus auseinandersetzen, so lässt sich, wenn überhaupt, nur mühsam eine Verbindung zu den esoterisch anmutenden Texten aus „Unterwegs zur Sprache“ herstellen. Zwischen dem „Urteil im Psychologismus“ und dem „Schied des Zwischen“ in Trakls Gedichten scheint sich ein Abgrund aufzutun. Diesen Abgrund will Michael Steinmann überwinden, indem er vom Frühwerk eine Brücke zu „Sein und Zeit“ schlägt, und von dort eine weitere zum Spätwerk.

Steinmann untersucht zuerst den Einfluss des südwestdeutschen Kantianismus auf Heideggers Denken. In der Auseinandersetzung mit Windelband, Rickert und Lask sieht er den Grundstein für Heideggers eigene Philosophie gelegt. Es seien die Fragen nach dem Wesen des Urteils und der Synthese, die Heidegger schließlich zu den in „Sein und Zeit“ entwickelten, ontologischen Betrachtung der Sprache führen. Steinmann zeigt, dass sich zwar kein klarer Begriff finden lässt, der die verschiedenen Werkepochen miteinander verbindet – der im frühen Werk und in „Sein und Zeit“ zentrale Begriff des Sinns wird im Spätwerk fallen gelassen –, dass aber die Frage „Was ist x?“ alle Aspekte des heideggerschen Denkens miteinander verknüpft. Diese Frage sei nicht auf eine einfache Antwort hin ausgerichtet, sondern suche nach einem einheitlichen Ursprung der Phänomene. In der Frage nach dem Urteil wird die offene Relation als dieser Ursprung identifiziert, in „Sein und Zeit“ sei es die Zeit, deren eigentlicher Sinn noch in dem nie erschienen zweiten Teil des Werks hätte untersucht werden sollen. Im Spätwerk entdecke Heidegger dann das Ereignis als den Ursprung der Phänomenalität der Phänomene. Der Ursprung könne, so Steinmann, jeweils nicht als geschlossener Begriff gedacht werden, vielmehr liege das Wesen der Phänomene und das Wesen der Sprache in der Offenheit, aus der heraus Bedeutung entsteht, und könne nur erfasst werden, wenn der Prozess der Bedeutungsgebung in seiner Offenheit mitvollzogen werde.

Ob Steinmann damit irgendetwas Neues zu Heideggers Sprachphilosophie sagt, oder ob es nur eine weitere apologetische Studie zu dessen Denken ist, vermag ich kaum zu beurteilen. Je weiter die Untersuchung fortschreitet, desto mehr versinkt, was anfangs klar wirkte, in einem hermetischen Heidegger-Jargon. Wenn Heidegger schreibt: „Nichts liegt daran, eine neue Ansicht über die Sprache vorzutragen. Alles beruht darin, das Wohnen im Sprechen der Sprache zu lernen. Dazu bedarf es der ständigen Prüfung, ob und inwieweit wir das Eigentliche des Entsprechens vermögen“, dann wirkt das esoterisch, eben geheideggert. Wenn Steinmann diesen Satz kommentiert, wird die Sache kaum klarer: „Es geht nicht darum, ihr Wesen in einem Begriff an sich zu fixieren, sondern die Bedeutungsgebung gleichsam mitzumachen, ihre Selbsttransparenz aus der Stille in die Stille mitzuvollziehen. Die philosophische Bemühung um die Sprache hat allein im Bezug auf die Bedeutungsoffenheit ein Maß der Wahrheit.“ Alles scheint hier in der postulierten Offenheit des Sinns langsam zu verschwimmen. Oder in der Hermetik der Heideggerforschung, die wieder und wieder erklärt, dass sich durch die Interpretation von Heideggers Werken das Denken Heideggers verstehen lasse.

Titelbild

Michael Steinmann: Die Offenheit des Sinns. Untersuchungen zu Sprache und Logik bei Martin Heidegger.
Mohr Siebeck, Tübingen 2008.
415 Seiten, 84,00 EUR.
ISBN-13: 9783161494284

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