Zu leichte Lektüre

Margaret Coels Krimi „Ein leichtes Ziel“ rekapituliert ein allzu bekanntes Muster

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Grunde ist Margarete Coels Krimi „Ein leichtes Ziel“ eine annehmbare Vorlage für einen mittelmäßigen TV-Krimi, mehr aber auch nicht. Und das aus dem einfachen Grund, dass das, was sie ihren Lesern vorsetzt, einem einfachen und häufig verwendeten Muster folgt und dabei die Grundregel des Suspense-Krimis verletzt, nämlich Überraschendes aufzubieten. Das macht sie nämlich nicht, so dass am Ende alles so läuft, wie man sich das vorstellt und wie man es eigentlich auch gewohnt ist.

Wenn die These stimmt, dass der Krimi vor allem die Aufgabe hat, eine aus den Fugen geratene Gesellschaft wieder in Ordnung zu versetzen, dann hat Coel diese Aufgabe außergewöhnlich gut erfüllt. Nur aus den Fugen ist hier zuvor leider gar nichts geraten. Ein geschiedenes Ehepaar und alte Indianer-Weiße-Konflikte, gemixt mit Immobilien- und Politskandalen, machen weder eine dem Chaos noch dem Bösen ausgelieferte Gesellschaft aus.

Zuwenig, und auch nicht aufregend genug. Seit Raymond Chandler und Dashiell Hammett sind solche Plots einigermaßen ausgebreitet worden. Und Korruption mag zwar immer noch ein gesellschaftliches Problem sein. Aber die Pfründe alter Eliten wurden schon in den vergangenen Jahrzehnten in der Krimikultur kräftig unter die Leute gebracht. Im neuen Jahrtausend wirken solche Probleme einigermaßen altbacken. Nun, was passiert? Eine Journalistin wird nächtens von einem Killer bedroht, ihr bester Freund (der auch ihr Scheidungsanwalt war) wird bei der Gelegenheit erschossen, wofür sein Lebensgefährte der Dame, Catherine McLeod, die Schuld gibt.

Das eigentlich vorgesehene Opfer aber sieht sich auch in der kommenden Zeit den Nachstellungen eines geheimnisvollen blonden Mannes ausgesetzt, der offensichtlich den Auftrag hat, sie um die Ecke zu bringen. Mit ein bisschen Glück, dem richtigen Riecher und viel Aufwand schafft es Catherine jedoch, ihrem Mörder immer wieder zu entkommen.

Zugleich arbeitet sie an einer Geschichte, die sich als Schlüssel zur Mordtat erweist. Die Indianerstämme des Bundesstaats Colorado klagen Wiedergutmachung für ein Massaker aus den 1860er-Jahren ein. Sie wollen dafür ein 200 Hektar großes Grundstück haben, auf dem sie ein Spielkasino bauen wollen.

Initiatoren und Betreiber sind natürlich Weiße, auch wenn die Indianernationen und die Anrainer durchaus ihr Geld dabei verdienen sollen. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was für die Bauherren und Betreiber dabei heraus springt.

Aus irgendeinem Grund ist das – nämlich, das unter den Teppich zu kehren – Anlass genug, einen Killer auf Catherine zu hetzen. Der aber bleibt ohne Erfolg. Der Mann ist zwar professionell im Militär ausgebildet, und bislang auch recht erfolgreich in seinem Gewerbe. An Catherine beißt er sich jedoch die Zähne aus. Jeder Anschlag, den er plant, geht daneben. Es gibt einen recht großen Colateralschaden – Tote, Autounfälle und dergleichen eben. Aber seinem Ziel, Catherine zu töten, kommt er nicht näher.

Daran mag vor allem seine Überheblichkeit schuld sein, da er Catherine lange Zeit, ja, eigentlich bis zum Schluss, nicht als adäquate Gegnerin wahrnimmt. So wenigstens die These, die im Roman Coels erörtert wird.

Und so endet der Krimi so, wie er enden muss – was natürlich nicht verraten wird. Aber wer solche Geschichten kennt, kennt auch diese und weiß sich ihr Ende auszudenken. Und das ist das schlimmste Urteil, das man über den Text sprechen darf. Der Krimi, der sich entweder auf das anvisierte Opfer oder auf den Killer konzentriert, plätschert gemächlich vor sich hin. Man sieht geradezu, welche Episoden bereits jetzt für die Verfilmung vorgesehen sind. Orte zum Beispiel, Ereignisse oder Spannungsbögen.

Möglicherweise im Unterschied zum Film entsteht aber nie eine Spannung, die wohl gattungsspezifisch vom Text gefordert wird. Stattdessen wird systematisch durcherzählt. Es werden Zusammenhänge gebildet, Situationen erzeugt, die vielleicht im Film funktionieren, im Text sind sie nur Episoden unter anderen. Überraschende Wendungen und Effekte sind quasi gattungstypisch ausgeblendet.

Dann natürlich kann der Killer nicht erfolgreich sein, natürlich kommt er – der sich einen Spaß damit macht, Catherine per SMS, Zettel oder Mobiltelefon zu bedrohen – am Ende zu Fall und sein Opfer überlebt ihn (die entgegengesetzte Variante würde anderes Personal und andere Ausstattungen erfordern). Auch erfüllt das Ende ausreichend die Erwartungen an den Krimi (überraschend ist also nichts).

Aber ebenso wenig wie das großartig stört, würde es auch schaden, diesen Krimi nicht zu lesen. Dutzendware eben, die die Leser bedient, die mit Suspense nichts anzufangen wissen, und sich dennoch als Krimileser verstehen.

Titelbild

Margaret Coel: Ein leichtes Ziel. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Englischen von Christel Dormagen.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010.
334 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783518461389

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