Die Risse im Putz

Markus Henriks Debüt „Copy Man. Ein Praktikantenroman“ ist kein Praktikantenroman

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Über die Generation Praktikum wird gerade wieder heftig gestritten. Es gebe sie gar nicht, sagen die einen. Sie ist gerade so präsent wie nie zuvor, sagen die anderen. Ein guter Zeitpunkt also, um das Thema noch mal literarisch zu verwerten.

Das dachte sich wohl zumindest Markus Henrik. Der ist eigentlich kein Autor, hat aber trotzdem eine Radiokolumne auf WDR 1Live, und macht Musik, die er auf seiner MySpace-Seite „Rock, Pop-Punk, Koreanischer Pop“ nennt. Es kommt einem dann aber eher spanisch denn koreanisch vor, wenn er blabla-Lyrics wie „Und hör mir jetzt gut zu, lass mich doch in Ruh“ über Langweiler-Riffs singt. Und was so ein richtiger Rocker ist, der hat natürlich seinen eigenen Sound, singt zum Beispiel „Stu-am“ wenn er „Sturm“ meint. Passen aber tut es: Denn so unpointiert, enervierend und belanglos seine Musik ist, so ist auch sein literarisches Debüt „Copy Man. Ein Praktikantenroman“. Student Anton, kurz vor dem Uni-Abschluss, braucht – Überraschung! – Kohle, hat sich also um einen Job bei der FigView AG beworben. Er denkt, er habe den Job schon in der Tasche, muss aber noch eine Woche Probearbeit leisten, in der er sich gegen seine zwei Mitbewerber Thorsten und Sophia durchsetzen muss. Das ist an sich schon hart genug, wäre Sophia nicht die Frau, die ihm wegen ejaculatio praecox auf der letzten Party eine falsche Nummer gegeben hätte. Sie bekommen es irgendwie hin, sich die eine Woche lang zusammenzureißen, müssen dann aber feststellen, dass obwohl einer von ihnen die Stelle bekommen sollte, alle leer ausgegangen sind. Anton, Thorsten und Sophia schließen sich also zusammen, um sich an der FigView AG zu rächen.

Nach der Lektüre von „Copy Man“ denkt man sehnsüchtig zurück an Praktikantenromane wie Boris Fusts grandioses „12 Stunden sind kein Tag“ oder Sebastian Christs wunderbares „…und wünschen ihnen für die Zukunft alles Gute“. Henriks Story an sich ist nicht einmal schlecht. Aber „Ein Praktikantenroman“ ist „Copy Man“ nicht. Es fehlt dem Buch schlicht an der nötigen Ernsthaftigkeit. Das Gefühl der Enttäuschung, nach Jahren des Studiums nicht nur keinen Job zu finden, sondern ein Praktikum nach dem anderen zu machen, um die Vita schön zu halten, die Niedergeschlagenheit, nach drei Monaten, die man auf eine mögliche Stelle gehofft hat, dem nächsten Praktikanten Platz zu machen – das alles vermag Henrik, im Gegensatz zu Fust und Christ, einfach nicht rüberzubringen. Das liegt ganz einfach daran, dass er von sprachlicher Finesse so weit entfernt ist wie die Perser von der Eroberung Spartas. „Copy Man“ ist voll von überflüssigen, noch dazu klischeehaften Sätzen, bei denen man sicht fragt, welcher Lektor so legasthenisch gewesen sein muss, sie zu überzusehen: „Ich ließ mich wie in Zeitlupe rücklings aufs Bett fallen. Dort betrachtete ich die Decke und versuchte die Risse im Putz zu zählen.“

Klar: Henrik versucht mit dem, was er für Alltagsprache hält, einen lockeren Ton herzustellen. Alles, was dabei allerdings rauskommt, ist Brechreiz: „Jungs, aufhören, sofort. Die Konkurrenzkacke ist zu Ende.“ Wer seinen Protagonisten „Risse im Putz“ zählen oder „nur Bahnhof“ verstehen lässt, hat nun wirklich gar nichts verstanden. Oder kann, was wahrscheinlicher ist, einfach nicht schreiben.

Titelbild

Markus Henrik: Copy man. Ein Praktikantenroman.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
207 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783821860848

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