Philosophische Basisfragen für Kinder

In Max Huwyler „Das Zebra ist das Zebra“ fragt sich ein junges Tier, was es ist

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein kleines Zebra sieht vor dem Kino ein Poster mit einem Hengst drauf und fragt die großen Zebras, was für ein Tier das sei. Diese aber reagieren ungehalten, denn solche Fragen scheinen ihnen unnütz.

Der Autor Max Huwyler verbindet in diesem Bilderbuch kindliche Fragen mit philosophischen Reflexionen; Außerdem zeigt er, dass so genannte kindliche Fragen ( wie „Warum gibt es etwas?“, oder „Wo haben die Sachen ihre Namen her?“) philosophisch weiterführen können. Die Zebras in dem Buch bewegen sich auch nicht in der afrikanischen Savanne, sondern erscheinen als städtisch lebende, also sehr menschliche Wesen.

Die visuelle Gestaltung von Jürg Obrist ist hell und bunt und vereinigt kollagenhaft selber gezeichnete Bilder (von den Zebras), Fotografien (von Häusern), Texturen und Strukturen. Die etwas eckigen Kompositionen, bei denen die Perspektiven der einzelnen Elemente nicht passen, passen zu der Welt, die dem Zebra mit seinen philosophischen Fragen sukzessive aus den Fugen gerät.

Die Antworten der erwachsenen Zebras auf die kindliche Frage sind typisch menschlich-erwachsen in dem Sinne, dass man merkt, dass die Antwortenden sich die ,Flausen‘ früherer Jahre schon selber ausgetrieben haben. Denn sie antworten in einem Satz der „einfachen Identität“ (Hegel): Ein Pferd, das sei ein Pferd. Und ein Zebra, das sei ein Zebra. Sie verknüpfen nicht einmal Pferd und Zebra mit dem Satz des Widerspruchs, dass Zebra = Zebra sei, weil Zebra ≠ Pferd.

Das Kind ist aber nicht zufrieden und muss sich deshalb immer mehr selbst befragen. Und so bekommt es keine Antwort auf seine Fragen, ob es deswegen ein Zebra sei, weil es schwarz-weiß gestreift sei – oder ob es schwarz-weiß gestreift sei, weil es ein Zebra sei. Geht die Bezeichnung der empirischen Erscheinung voran – oder wird die Bezeichnung aus der empirischen Erscheinung abgeleitet? Es untersucht auch die Sinnesdaten: Handelt es sich bei seiner Musterung um weiße Streifen auf schwarzem Untergrund oder um schwarze Streifen auf weißem Untergrund?

Das kleine Zebra geht diesen Fragen gerne nach, auch wenn seine älteren Artgenossen genervt reagieren, doch stürzen sie es auch in eine unangenehme Unruhe. In einem Alptraum lösen sich ihm alle Formen und Farben auf und kopulieren wild miteinander. Diese Transformation holt es dann sogar in der Realität nach; zuerst wird es ausschließlich schwarz und dann ausschließlich weiß. Dadurch weiß es zwar immer noch nicht, wer oder was es ist, aber es erfährt, dass es dadurch für seine Artgenossen weder ein Zebra noch es selbst sei. Sie erkennen es nicht mehr und schließen es aus. Sobald es wieder zu seinem ursprünglichen Aussehen zurückkehrt, wird es wieder (an-)erkannt und darf zur Gruppe wieder dazugehören.

Dadurch hat es gelernt, dass es alleine sein muss, wenn es nicht so ist, wie die anderen, die es als seine primäre, natürliche Bezugsgruppe ansieht. Des Weiteren weiß es nun, dass die anderen Zebras dumm sind, denn sie kennen nur den Schein der Positivität. Und schließlich durfte es einen Blick in den Abgrund werfen, dass Zugehörigkeit äußerst fragil ist.

Zumindest könnte es all dies gelernt haben. Es ist aber fraglich, ob der Autor dies intendiert hat. Die weitergehende Bedrohung, die von den Fragen nach der Identität ausgeht, sieht er vielleicht nicht und löst sie deswegen auch nicht auf. Das Zebra ist am Ende einfach nur Zebra und gehört wie selbstverständlich wieder dazu. Der Schrecken aber, wie schnell es vorher keine Anerkennung mehr fand, bleibt nolens volens bestehen.

Titelbild

Max Huwyler: Das Zebra ist das Zebra.
atlantis - orrell füssli verlag, Zürich 2010.
32 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783715205816

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