Als man noch ein Fräulein war
Alice Schwarzer bringt Journalistik-Studierenden mehr als nur das Handwerk ihrer Gilde bei
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEin bekannter Einwand gegen die feministischen Linguistik besagt, dass beim generischen Maskulinum die Frauen stets mitgemeint seien, das Wort Köche meine doch auch die Köchinnen, Fußballer die Fußballerinnen und Publizisten die Publizistinnen mit. Ein Einwand der ebenso alt wie wenig überzeugend ist. Auch hat man bisher selten gehört, dass umgekehrt die Männer doch mitgemeint seien, wenn von Köchinnen, Fußballerinnen oder Publizistinnen die Rede ist.
Angesichts dessen wird man denn doch stutzig, wenn Alice Schwarzer als „eine der wichtigsten Publizistinnen Deutschlands“ gepriesen wird. Wieso wird sie nur mit ihren Geschlechtsgenossinnen verglichen? Spielen die schreibenden Männer etwa in einer ganz anderen, für Frauen ohnehin unerreichbaren Liga, so dass sich der Vergleich mit ihnen erübrigt, ja geradezu verbietet, weil die Frau von vornherein chancenlos wäre? Nun würde es zugegebenermaßen allerdings etwas merkwürdig klingen, die feministische Gretedampf-in-allen-Gassen einen wichtigen Publizisten zu nennen. Was hier einmal mehr fehlt, ist einfach das große Binnen-I.
Warum Hannes Haas, aus dessen Vorwort zu Schwarzers 2009 als Theodor-Herzl-Dozentin für Poetik des Journalismus gehaltenen und nunmehr in Buchform veröffentlichten Vorlesungen obige Zeile stammt, nicht darauf zurückgreifen mochte, bleibt schleierhaft. Aber vielleicht kennt er sich in der feministischen Linguistik auch nicht so gut aus. Ganz sicher aber besitzt er nur lückenhafte Kenntnisse über die Geschichte der bundesdeutschen feministischen Publizistik. Andernfalls könnte er nicht beklagen, dass „die Gründung von ‚EMMA‘ allein nicht“ für „einen ‚feministic turn‘ in der deutschen Medienlandschaft“ reichte. Daran ist zwar richtig, dass es diesen turn damals nicht gab. Doch als Anfang 1977 die erste Ausgabe von „EMMA“ das Licht nicht nur der damals noch häufiger anzutreffenden Frauenbuchhandlungen und der Bahnhofskioske erblickte, war sie keineswegs alleine. Vielmehr wurde sie zumindest in den Regalen und Zeitschriftenständern der ersteren von der einige Monate zuvor gegründeten „Courage“, sowie von diversen regionalen feministischen Periodika begrüßt – wenn auch nicht immer freudig.
Umso besser kennt sich dafür Alice Schwarzer selbst aus. Und zwar nicht nur in der damaligen wie heutigen feministischen Medienlandschaft, sondern im publizistischen Geschäft überhaupt. Auch, aber keineswegs nur in dem ihm zugrundeliegenden Handwerk, wie die drei in dem Band enthaltenen Vorträge zeigen.
In den kurzweiligen Vorlesungen blickt Schwarzer zunächst in die vorfeministische Vergangenheit zu Beginn ihres beruflichen Werdegangs zurück, als „man noch ein ‚Fräulein‘“ war. Dabei verschweigt sie auch eine ihrer frühen journalistischen Arbeiten nicht, für die sie sich schon damals „ein bisschen geschämt“ hat. In den anderen beiden Vorlesungen über journalistische Ethik und das Führen eines Interviews gerät sie dann und wann ebenfalls ein wenig ins Plaudern und Erzählen. Was die Vorlesungen allerdings geradezu belebt, in denen sie gleich mehrfach „die Macht der Leserbriefe“ beschwört, die positiven Seiten der Werbeflaute entdeckt („dann gibt es auch weniger Abhängigkeit von der Werbung“) und der zur „Selbstgerechtigkeit“ neigenden „(pseudo)linken Spielwiese“ namens „taz“ die Leviten liest. Doch belässt sie es nicht bei derlei augenzwinkernden Anmerkungen und Seitenhieben, sondern legt auch die unterschiedlichen Strategien beim Sach- und beim Personeninterview ebenso verständlich wie nachvollziehbar dar. Dabei plädiert sie nachdrücklich und überzeugend für die obligate Autorisierung von Interviews, das im Übrigen keine Dokument, sondern eine Kunstform seien.
Und wenn sie rät, als JournalistIn stets „eine politische Haltung zu haben, aber keine Meinung“, so erläutert sie den Unterschied zwischen beidem durchaus plausibel: „Der Meinungsjournalist hat bereits eine Meinung und die Recherche ist im Grunde nur ein Vorwand, dient dem Beleg dieser Meinung.“ Ganz anders der „Journalist mit Haltung“, der sich zwar vorher „Gedanken gemacht“ hat, jedoch versucht, „so ergebnisoffen wie möglich zu recherchieren“, „jederzeit bereit, seine Haltung zu korrigieren, wenn nötig.“
Was nun aber ganz allgemein die unabdingbaren Eigenschaften erfolgreicher JournalistInnen betrifft, so nennt sie Begabung, Fleiß, Verantwortungsbewusstsein, Leidenschaft und an erster Stelle Kritikfähigkeit. Mit letzterer ist keineswegs die Fertigkeit gemeint, möglichst draufschlagen zu können. Sondern im Gegenteil, Kritik einstecken zu können – ja mehr noch, sie für sich selbst fruchtbar zu machen.
Beschlossen wird das nicht nur für (angehende) JournalistInnen und FeministInnen anregende Bändchen durch einige Interviews, die Studierende mit der Journalistin führen durften, sowie mit Schwarzers Rede anlässlich der Verleihung des Börne-Preises 2008.
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