Prosa voll Pathos

Federico García Lorcas melancholischer Garten

Von Evangelia KaramountzouRSS-Newsfeed neuer Artikel von Evangelia Karamountzou

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Lorcas erste Veröffentlichung "Impressionnen und Landschaften" erschien im Insel - Verlag, anläßlich seines 100. Geburtstages. Es ist das erste und einzige Prosawerk des berühmten Dichters und Dramatikers Federico García Lorca (1898-1936), das er mit 19 Jahren veröffentlicht hat. In dem Vorwort dieses Buches erkennt der Autor, daß es "etwas Unbestimmtes und Melancholisches" hat. Es trägt tatsächlich alle Merkmale eines Frühwerks: es schwankt zwischen Romantik und Symbolismus, beeinflußt von den Schreibweisen seiner Vorbilder, voll Übertreibung und Beharrlichkeit. Es zeichnet die Fin-de-siècle-Stimmung aus, das 'antizipierende Feingefühl' der Dekadenz, die 'tiefe Unzufriedenheit mit der Kultur der Gegenwart', wie Georg Lukács treffend bemerkt hat. Lorca kritisiert sehr scharf die abergläubischen Gewohnheiten der Einheimischen, die Stellung der Intellektuellen, die Architektur der Städte und Dörfer, die spanische Musik und Literatur. Lorcas Roman ist eine 'terra incognita' im 'Reich der Poesie'. Er verwendet sehr oft Symbolbilder, die die Phantasie des Lesers erregen. Seine Empfindungen drückt er in isolierten Sätzen aus, wie ein Gedicht, das sich in der Prosa verstrickt hat. Lorca versucht durch die sprachlichen bzw. bildlichen Gegensätze seine Leser ins Reich des Idealen zu führen: Licht-Schatten, Christliches-Heidnisches, Klöster-Bordelle von Albaicín. Die Themen der frustrierten Liebe, des Todes, des Widerspruchs zwischen Illusion und Wirklichkeit sowie des Konflikts zwischen persönlicher Freiheit und gesellschaftlicher Norm - Themen, die in seinem späteren lyrischen und dramatischen Werk hervorgehoben wurden - betrachtet er rein ästhetisch. Sein sprachlicher Reichtum erregt alle Sinnesorgane der Leser: man hört, sieht, riecht, fühlt alles wie es der junge Reisender tut. Das Seelenlose nimmt Gestalt durch Lorcas Erzählung; er wird zur Stimme der Seele von Grabmälern, Klöstern, Schenken, Ruinen und Gärten. Er meint: "Poesie ist in allem, im Häßlichen, im Schönen, im Abstoßenden" und seine Aufgabe ist die Poesie aufzudecken und "die tiefen Seen der Seele zu wecken". Der einzige Weg dazu ist das Pathos, wenn also das Innere von Leidenschaft erfüllt ist. Es gelingt ihm, durch sein geistiges und sprachliches Temperament, ein märchenhaftes fast außerirdisches Land vorzustellen, sein Heimatland verändert durch die Macht der Erinnerungen. Andalusien und Kastilien werden von dem Landschafts- und Geschichtspathos eines 18-jährigen Reisenden beschrieben. Es fehlt ihm noch der notwendige Realismus, der in sein späteres Werk erscheint, doch das macht er absichtlich; er fordert seine Leser: "Träumen muß man. Weh dem, der nicht träumt, denn er wird das Licht nicht erblicken... ".

Die lyrische Sprache der Übersetzung aus dem spanischen von Martin von Koppenfels, Peter Kultzen und Susanne Lange und das Nachwort von Martin von Koppenfels dringen in Lorcas melancholische Empfindungswelt ein und heben die Einmaligkeit dieses Prosawerkes hervor. Denn Lorca betont treffend: "Jedes Buch ist ein Garten. Glücklich, wer ihn anzulegen versteht, selig, wer seine Rosen schneiden darf, um seine Seele damit zu nähren!..."

Titelbild

Federico García Lorca: Impressionen und Landschaften. Aus dem Spanischen von Martin Koppenfels, Peter Kultzen und Susanne Lange.
Insel Verlag, Frankfurt 1998.
190 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3458169237

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